junge Welt, 14.06.2000 Hermes macht's möglich... Bundesbürgschaften für heikle Großprojekte Von Thomas Klein Kampfflugzeuge vom Typ Eurofighter für Griechenland - Waffen für die Türkei mit Bundesbürgschaften? Nachdem vor einem halben Jahr die Lieferung eines Testpanzers vom Typ Leopard II an die Türkei für erheblichen Zündstoff in der Berliner Regierungskoalition gesorgt hatte, war es beim Thema Rüstungsexportpolitik wieder ruhiger geworden. Die geplante Lieferung von Fuchs-Spürpanzern an die Vereinigten Arabischen Emirate hatte nochmals kurz für Aufsehen gesorgt. Aber insgesamt war die Bundesregierung bei diesem Thema in ruhigeres Fahrwasser geraten. Nun aber ist die Diskussion neu aufgelebt: Zum einen sind Bundeskredite für möglicherweise schon in nächster Zeit in großem Umfang anstehende Waffengeschäfte mit den NATO-Partnern Griechenland und Türkei in Aussicht gestellt. Zum anderen wurde ein weiterer brisanter Vorgang aus der Regierungszeit von Helmut Kohl bekannt. Teure Männerfreundschaft zwischen Kohl und Suharto Mit Indonesiens langjährigem Regierungschef, General Suharto, unterhielt Helmut Kohl nach eigenen Worten eine enge Männerfreundschaft. Der »gute Freund« des CDU- Kanzlers, unter dessen Herrschaft nicht nur Osttimor annektiert und die dortige Bevölkerung grausam unterdrückt wurde, sondern zu dessen Politikstil Vertreibungen, Folter und Tausende Morde durch Angehörige des Sicherheitsapparates gehörten, konnte sich zu allen Zeiten auf die Unterstützung aus der Bundesrepublik verlassen. Dazu gehörten immense Waffenlieferungen: Zeitweise war die Bundesrepublik - nach den USA - der zweitwichtigste Waffenlieferant des Suharto-Regimes. Dies ist schon deshalb ein Skandal, weil die Gesetzeslage in der Bundesrepublik Rüstungsexporte an dieses Land ausschließen. Denn die Ausfuhr von Kriegswaffen ist nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, Paragraph 6, zu versagen, »wenn die Gefahr besteht, daß die Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung verwendet werden«. An »friedensstörenden Handlungen« hat es unter der Herrschaft von Suharto zu keiner Zeit gefehlt: 1965 an die Macht gekommen, wurde unter seiner Herrschaft in kürzester Zeit die politische Opposition des Landes liquidiert. Aus einer Erklärung der Internationalen Liga für Menschenrechte aus dem Jahr 1987 ging hervor, daß die von den indonesischen Machthabern zu Beginn der Ära Suharto begangenen Massaker an der Bevölkerung zu den massivsten Menschenrechtsverletzungen seit dem Zweiten Weltkrieg zählen. Nach zurückhaltenden Schätzungen wurden 750 000 Menschen allein in den sechziger Jahren Opfer des von indonesischen Militärs ausgeübten Terrors. Parallel zu diesen Ereignissen fand ab 1963 in Westpapua eine von der Weltöffentlichkeit kaum beachtete »Einverleibung« statt. Die Annexion des westlichen Teils der Insel Papua-Neuguinea hatte verheerende Konsequenzen für die dortige Bevölkerung: Der Widerstand der OPM (Organsiasion Freies Papua) wurde im Suharto-Stil gebrochen. Die Zahl der Todesopfer wird hier auf mehrere hunderttausend Menschen geschätzt. Ähnlich war die Situation in Osttimor, das inzwischen seine Unabhängigkeit erstreiten konnte. Nach der 1975 erfolgten völkerrechtswidrigen Besetzung der ehemaligen portugiesischen Kolonie durch indonesische Truppen hat hier ein Völkermord stattgefunden. Allein in den ersten Monaten kostete die Okkupation über 50 000 Menschen das Leben. In den Jahren danach ist im Laufe der Besetzung etwa ein Drittel der ehemals über 700 000 Menschen zählenden Bevölkerung umgekommen. Das hatte weder die Bundesregierung noch deutsche Firmen davon abgehalten, mit Indonesien diverse Geschäfte abzuschließen. Privatisierung von Steuergeldern Das betraf nicht nur die »hervorragende Partnerschaft« (so die Rüstungsschmiede MBB) im Bereich deutsch- indonesischer Waffenproduktion. Auch in der »zivilen« Zusammenarbeit machte die Männerfreundschaft Kohl/Suharto einiges möglich. Nach Angaben des »Spiegel« vom 29. Mai 2000 könnte die Bürgschaft für ein umstrittenes Kraftwerksprojekt des Siemens-Konzerns mit einem Sohn des Ex-Diktators die Bundesregierung jetzt in finanzielle Bedrängnis bringen. Hintergrund: Das gerade fertiggestellte Großkraftwerk Paiton II ist zum Pleiteprojekt verkommen. Die Stromgesellschaft PLN, Betreiber des Projekts, ist hochverschuldet und nicht zahlungsfähig. Der damals unter Suharto und Kohl ausgehandelte Vertrag, berichtet der unterzeichnende PLN-Direktor Marsudi jetzt dem »Spiegel«, sei ein Auswuchs der korrupten Bräuche des Suharto-Clans gewesen. Marsudi: »Ich mußte unterschreiben, ohne die Konditionen aushandeln zu können. Mich zu weigern wäre Selbstmord gewesen.« Die konkrete Ausgestaltung des Geschäfts ist - selbst ohne Todesängste - ungewöhlich genug. Der hochverschuldete indonesische Staat muß in die Zahlungsverpflichtung der Elektrizitätsgesellschaft PLN nicht eintreten. Dafür hatte Suharto gesorgt, der 1992 ein Dekret erließ, nach dem der Staat keine Garantien für die damals in großer Zahl abgeschlossenen Stromverträge mit privaten Kraftwerksbetreibern übernimmt. Eine solche staatliche Garantie aber ist die minimale Voraussetzung für die Vergabe von Hermes-Bürgschaften. »Umso unverständlicher ist«, wundert sich er »Spiegel« dieser Tage, »daß Finanzminister Theo Waigel und Wirtschaftsminister Günter Rexrodt die Bürgschaft genehmigten«. Den Deal abgesegnet hatten die Männerfreunde an der Spitze der jeweiligen Regierung. Und sie zeigten sich großzügig. Während der indonesische Ex-General seinen Clan mit lukrativen Geschäften und diversen Großprojekten beglückte, half auf deutscher Seite die Regierung Kohl dem Siemens-Konzern, das Geschäft einzufädeln. Darüber hinaus erteilte sie eine Bundesbürgschaft im Rahmen der Hermes- Exportversicherung in Höhe von fast 500 Millionen Dollar. Hinzu kam ein Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau von 250 Millionen Dollar. Umgerechnet zusammen fast 1,6 Milliarden Mark. Darlehen und Bürgschaft wurden zudem zu einer Zeit erteilt, als die Weltbank vor Überkapazitäten durch Stromlieferungsverträge mit ausländischen Kraftwerksbetreibern warnte. Mit anderen Worten: Es war absehbar, daß der Strom nie gebraucht werden wird. Kohl hat hier offenbar einen »Freundschaftsdienst« geleistet, sowohl gegenüber Diktator Suharto, dessen Sohn der Nutznießer des Deals war, als auch gegenüber dem Siemens-Konzern, der sich mit Millionenspenden an die CDU immer mal wieder »erkenntlich« zeigte. Gott der Kaufleute und der Diebe Daß dank Kohl hier möglicherweise in den nächsten Jahren der Bund, sprich die Steuerzahler, für ein unsinniges, Millionen verschlingendes Geschäft in die Bresche springen muß, hat mit den Konditionen der sogenannten Hermes- Kreditversicherungen zu tun. Einen ersten Hinweis, was Hermes heißt, gibt der Name selbst: Hermes war im antiken Rom der Gott der Kaufleute - und der Diebe. Die Hermes Kreditversicherungs AG verwaltet im Auftrag des Bundes staatliche Exportkreditversicherungen. Potentielle Kunden erhalten über sie die Möglichkeit, Geschäfte abzuschließen, wenn die Finanzierung nicht voll gesichert ist. Will eine deutsche Firma mit einem Land ins Geschäft kommen, das nicht sofort oder auf einmal zahlen kann, sichern Hermes-Kredite die Geschäfte ab. Das Ziel ist klar: Die Ausfuhren sollen angekurbelt werden, um die Stellung deutscher Firmen auf dem Weltmarkt zu sichern. Welche Ausfuhren mit Hermes-Bürgschaften angekurbelt werden, entscheidet ein Ausschuß der Bundesregierung, bei dem neben dem Außenministerium vor allem das Finanz- und das Wirtschaftsministerium tonangebend sind. Vertreter von Wirtschaftsverbänden und Banken nehmen gelegentlich an den erforderlichen Beratungen teil und bringen die Interessen der Wirtschaft ganz direkt zur Geltung. Es gibt bisher kein formalisiertes Verfahren, mit dem die durch Hermes-Bürgschaften abgesicherten Exporte hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Umwelt, Entwicklung und Menschenrechte in den Abnehmerländern geprüft werden. Die Förderungswürdigkeit eines Antrages wird in erster Linie von den durch das Wirtschaftsministerium vertretenen deutschen Exportinteressen abhängig gemacht. Bisher gibt es von offizieller Seite wenig ernstzunehmende Versuche, Umwelt-, Menschenrechts- und Entwicklungsaspekte in das Entscheidungsverfahren einzubinden. An Beispielen von Hermes-Krediten für heikle Exporte mangelt es nicht. So waren deutsche Exporte in den früheren Apartheidstaat Südafrika, in den Iran oder eben nach Indonesien mit Hermes abgesichert. Die Käuflichkeit von Politik und Politikern In dem konkreten Fall ermittelt mittlerweile auch die Justiz in Indonesien. Während sich der Untersuchungsausschuß in Berlin zur möglichen Bestech- bzw. Käuflichkeit der CDU- Politik in der Bundesrepublik im Kreise dreht und zur »Lachnummer« (Waffenhändler Karlheinz Schreiber) verkommt, scheint der zuständige Generalstaatsanwalt in Indonesien etwas weiter zu sein. Marzuki Dausman, der ermittelnde Anwalt, zeigt sich zuversichtlich: Nach seinen Angaben gibt es »Beweise für Unregelmäßigkeiten«. Allerdings wird die Bundesrepublik wohl vergeblich auf fällige Rückzahlungen der PLN warten. Der »Spiegel« zitiert den indonesischen Menschenrechtsaktivisten Hok An mit den Worten: Für Paiton werde die ohnehin geschwächte Regierung in Jakarta keine neuen Schulden machen: »Die Bundesrepublik wird für ihren Teil der Verantwortung zahlen müssen«. Dumm nur, daß es nicht Kohl, Waigel oder Rexrodt trifft, sondern wieder einmal alle Steuerzahler in Deutschland. Götterbote bedroht antikes Erbe Daß heikle Geschäfte weiterhin mit Hermes-Bürgschaften abgesichert werden sollen, zeigt das Beispiel des Ilisu- Staudamms im kurdischen Teil der Türkei. Das Südostanatolien-Projekt (GAP) der Türkei umfaßt Dutzende Staumauern an den Flüssen Euphrat und Tigris. Mit ihrer Hilfe sollen die Region bewässert und das größte Wasserkraftwerk in der Türkei errichtet werden. Allein für den Ilisu-Staudamm sind Kosten von mehr als 1,5 Milliarden Dollar angesetzt, das Gesamtprojekt GAP wird auf 32 Milliarden Dollar geschätzt. Der Ilisu-Staudamm soll den Tigris 65 Kilometer vor der irakischen Grenze auf einer Fläche von 313 Quadratkilometern stauen. Der deutsche Beitrag beläuft sich auf zirka fünf Prozent des internationalen Auftragsvolumens. Vor wenigen Tagen haben verschiedene Umwelt- und Entwicklungsorganisationen, u.a. WEED, medico international, der Naturschutz Bund (NABU) und die Ärtzeorganisation IPPNW, an den Bundestag appelliert, auf die Einhaltung internationalen Rechts beim türkischen Staudammprojekt zu achten, was nur eine Konsequenz haben könne: keine Hermes-Bürgschaften für dieses Mammutprojekt. In einer gemeinsamen Erklärung weisen die Organisationen darauf hin, daß ein wertvolles antikes Erbe bedroht ist: »Die antike Stadt Hasankeyf im Südosten der Türkei ist einer der ältesten bewohnten Orte der Erde. Jetzt droht ihm durch den Bau des Ilisu-Staudamms der Untergang. Trotz massiver Proteste erwägt die Bundesregierung die Unterstützung des Projekts mit einer Hermes-Bürgschaft«. Dagegen müsse mobil gemacht werden. Schließlich verstoße das Projekt gegen internationales Recht. Die Umsetzung des Staudammvorhabens ermögliche weder einen effektiven Menschenrechts- noch einen Kulturgüterschutz. Außerdem habe »die Türkei in der Vergangenheit mehrfach den Nachbarländern gedroht«, so Heike Drillisch von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation WEED, »das Wasser abzudrehen. Nicht einmal die Einhaltung der UN- Wasserkonventionen bindend in den geplanten Antrag aufzunehmen, ist unverantwortlich.« Auf einen anderen heiklen Aspekt geht Hans Branscheidt von medico international ein. Die erzwungene Umsiedlung Zehntausender Kurden wäre eine weitere Folge des Staudammbaus. »Während die Bundesregierung im Kosovo mit Bomben gegen Vertreibung vorgeht, verbürgt sie diese in der Türkei selbst mit«. Unterdessen stößt die drohende Vernichtung der antiken Stadt Hasankeyf auch in der Türkei auf Widerstand. An der ehemaligen Seidenstraße gelegen, ist sie die einzige vollständig aus dem Mittelalter erhaltene Stadt Südostanatoliens. »Es ist unfaßbar, daß die Wiege der Menschheit Projekten von rund 50 Jahren Lebensdauer geopfert wird«, kommentiert Gisela Penteker von der Ärztevereinigung IPPNW das Staudammprojekt. Stefan Michel vom NABU sieht einen weiteren Punkt, warum dieses Vorhaben keinesfalls mit Bürgschaften unterstützt werden sollte: »Die türkische Regierung führt seit Jahren einen ökologischen Krieg gegen die kurdische Bevölkerung. Mehr als viertausend Dörfer wurden entvölkert, die Nutzung des Weidelandes verboten und riesige Waldgebiete durch Feuer und Kahlschlag vernichtet. Die Staudämme des Südostanatolienprojekts und darunter der Ilisu- Damm am Tigris setzen diese Strategie fort.« Hermes als Götterbote von Vernichtung antiker Kultur, von Vertreibung und Machtpolitik? Wie aus einer Antwort der Bundesregierung vom 12. November 1999 auf eine kleine Anfrage der PDS »Keine Hermes-Bürgschaften für den Ilisu- Staudamm in der Türkei« (Drucksache 14/2336) hervorging, hat das Auswärtige Amt seine Genehmigung schon erteilt, während das Verfahren innerhalb des Wirtschaftsministeriums und des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung noch laufe. Eine endgültige Zustimmung zur Hermes-Bürgschaft solle erst erfolgen, wenn auch Bürgschaftsgenehmigungen aus anderen Ländern vorlägen. Im übrigen bestehe ja die Möglichkeit, eine positive Deckungsentscheidung »mit sachgerechten Auflagen und Bedingungen zu versehen«.
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