Frankfurter Rundschau, 14.6.2000

IM BLICKPUNKT
Bloß kein Büro in Kurdistan

Ankara lehnt US-Pläne ab

Von Gerd Höhler (Athen)

Sechs Tage hat soeben Mark Parris, der US-Botschafter in der Türkei, den Südosten des Landes bereist. Seit Beginn der 80er Jahre war er der erste amerikanische Missionschef, der sich in der überwiegend kurdisch besiedelten Region umsah. Washingtons Plan aber, dort ein Verbindungsbüro zu schaffen, missfällt Ankara zutiefst.

Bis vor kurzem galt eine Tour, wie Parris sie absolvierte, wegen der Kämpfe zwischen den Rebellen der kurdischen PKK und den Regierungstruppen als zu riskant. Jetzt kam der US-Diplomat in eine zwar von 15 Jahren Kurdenkrieg ausgezehrte Region; nach der weitgehenden Kapitulation der PKK gibt es jedoch erste Ansätze einer Normalisierung des Lebens.

Ob die Kurdenprovinzen wirklich befriedet werden können, wird aber wesentlich von der ökonomischen Entwicklung dort abhängen. Und so müsste es aus Sicht der Regierung in Ankara eigentlich willkommen sein, wenn die USA in der Kurdenmetropole Diyarbakir ein Büro eröffnen wollen, das örtliche Unternehmer über Möglichkeiten der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit US-Firmen und amerikanische Unternehmer über Investitionschancen in der Südosttürkei informieren soll.

Freude also in Ankara über die Entwicklungshilfe? Weit gefehlt. Die Alarmglocken schrillten im türkischen Außenministerium, als der Plan ruchbar wurde. Mit allen bürokratischen Tricks versucht die Regierung, die für 15. Juni geplante Eröffnung des Handelsbüros zu verhindern. Obwohl die PKK, oder was von ihr noch übrig ist, längst allen separatistischen Ideen abgeschworen hat, verfolgt viele Politiker in Ankara immer noch das Gespenst eines autonomen Kurdistan. Premier Bülent Ecevit und sein Außenminister Ismail Cem sind nun von der Angst besessen, aus dem Büro könne eines nicht zu fernen Tages eine US-Botschaft in Kurdistan entstehen.

Vergeblich beteuern die US-Diplomaten ihre unschuldigen Absichten. Das Büro sei keine diplomatische Mission, sondern werde in Kooperation mit Günsiad eröffnet, der Vereinigung der südostanatolischen Industriellen und Geschäftsleute. Umso schlimmer, sagt man sich in Ankara, denn Günsiad gilt als "kurdisch unterwandert".

Während US-Diplomaten in Ankara darauf beharren, das Büro werde am Donnerstag kommender Woche eröffnet, und sich die Regierung zugleich weiter sträubt, hat die türkischen Diplomaten eine neue Angst gepackt: Auch einige Staaten der EU könnten den Wunsch äußern, eigene Büros in Diyarbakir zu eröffnen. Ohnehin fühlen sich die Türken von den meisten Europäern in der Kurdenfrage völlig unverstanden, während sie den USA immerhin einigermaßen trauen.

Vielen in Ankara ging indes schon gegen den Strich, dass US-Botschafter Parris überhaupt in die Kurdenregion reiste. Bülent Akarcali, ein Abgeordneter vom nationalistischen Flügel der mitregierenden Mutterlandspartei, will jetzt sogar die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses beantragen, um die Reisetätigkeit des Diplomaten zu durchleuchten. Statt nach Südostanatolien, so empfahl Akarcali, wäre Botschafter Parris besser an die malerische Schwarzmeerküste gefahren.