Frankfurter Rundschau 20.06.2000 "Politik, die Schleppern dient" Pro Asyl: Abschottung beenden / Viele Flüchtlingsdramen Beim Schmuggel von Flüchtlingen gibt es häufig Tragödien. Oft müssen die Menschen nach dem Transport ärztlich behandelt werden, manchmal überleben sie die unmenschlichen Reisebedingungen nicht. Die Flüchtlingshilfe-Organisation Pro Asyl erklärt, nur durch eine "menschlichere Asylpolitik der EU" könne dem Schlepper-unwesen entgegengewirkt werden. Auch Menschen, die nach Deutschland fliehen wollten, wurden in den vergangenen Jahren wiederholt Opfer skrupelloser Schlepper-Banden. So wurden im Juli 1995 18 Tamilen aus Sri Lanka nahe der westungarischen Stadt Györ erstickt in einem Lastwagen gefunden. 19 weitere Flüchtlinge, die im Anhänger versteckt waren, überlebten die Fahrt von Rumänien nach Ungarn. Im August 1995 wurden neun Jugoslawen, darunter eine Hochschwangere und ein dreijähriges Mädchen, am deutsch-österreichischen Grenzübergang Kiefersfelden in einem Kühllaster entdeckt. Bei nur drei Grad sollten sie von Norditalien nach Frankfurt am Main gebracht werden. Anfang 1997 griff die Polizei an der Autobahn 72 bei Zwickau ausgehungerte und nur leicht bekleidete 54 Iraker auf. Sie waren in einem Laster zwischen Kisten eingepfercht transportiert worden und eine Woche unterwegs gewesen. Im August 1998 entdeckten Polizisten auf einer Raststätte bei Bonn 33 Menschen zusammengepfercht auf einer acht Quadratmeter großen Lkw-Ladefläche. Die kurdischen Syrer aus der Türkei waren tagelang unter katastrophalen hygienischen Bedingungen unterwegs gewesen. Pro-Asyl-Sprecher Heiko Kauffmann rückt den politischen Kontext des Schleppergeschäftes in den Vordergrund. Das "perfekte System der Flüchtlingsabwehr in Deutschland und der EU" lasse Flüchtlingen "fast nur die Wahl, die illegale Einreise mit Hilfe von Schleppern zu versuchen", sagt Kauffmann der FR: Die Abschottungspraxis der EU und das Schlepperunwesen "schaukeln sich gegenseitig hoch, Flucht wird auf diese Weise kriminalisiert". Der Pro-Asyl-Mann nennt drastische Beispiele. Weihnachten 1996 ertrank im Mittelmehr ein junger Tamile, als ein Boot mit Flüchtlingen kenterte. Die Angehörigen des Mannes lebten in Bayern und hatten sich seit Jahren vergeblich um seine legale Einreise bemüht. Im August 1998 verunglückte laut Pro Asyl ein Schleuser-Fahrzeug mit Kosovo-Albanern auf der Flucht vor dem Bundesgrenzschutz. Die dabei schwer verletzten Flüchtlinge, erinnert sich Kauffmann, seien "zwar gesund gepflegt", aber dann abgeschoben worden - "und das wenige Monate vor Kriegsbeginn in Kosovo". (rü/dpa)
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