Hannoversche Allgemeine Zeitung, 22.6.2000 In Israel wird das Wasser knapp Israelische Experten schlagen Alarm. Wenn in den kommenden Monaten nicht ein Wunder geschieht, kommt auf das Mittelmeerland ein nie da gewesener Wassernotstand zu. Jahrzehnte lange Verschwendung und mangelnde Zukunftsplanung könnten unangenehme Folgen für das Land haben, in dem die Rationierung von Wasser bis Dienstag undenkbar war. Nun aber wurden entsprechende Notstandspläne der Regierung bekannt. Experten stellen düstere Prognosen für die nahe Zukunft: "Tel Aviv wird aussehen wie eine Dritte-Welt-Stadt mit regelmäßigen Wasser- Abschaltungen", warnte etwa Seev Golani, Chef-Hydrologe der staatlichen Wassergesellschaft Mekorot. Die Horrorvision von sonnenverbrannten Grünanlagen, Felder und Gärten würde für die von sattem Grün verwöhnten Israelis Realität. Wenn im nächsten Winter nicht ungewöhnlich heftige Regenfälle die riesigen unterirdischen Trinkwasser-Reservoirs auffüllen, werden die sechs Millionen Israelis 2001 mit einem Wasser-Defizit von rund 120 Millionen Kubikmetern leben müssen. Nur durch Einschränkungen könnte es kompensiert werden. Jahrzehntelang ging Israel mit Wasser um als sei es unerschöpflich. Die staatliche Wassergesellschaft pumpt alljährlich hunderte Millionen Kubikmeter mehr Wasser aus den Reservoirs, als die Niederschläge her geben. Pläne, die Vorräte durch künstliche Quellen wie Entsalzungsanlagen aufzubessern, wurden stets fallen gelassen, sobald ein regenreicher Winter die Lage zu verbessern schien. Dass Israel in den vergangenen 33 Jahren fast die Hälfte seines Trinkwassers aus Lagerstätten unter dem besetzten Westjordanland abpumpte, störte erst seit den Verhandlungen über ein Abkommen mit dem palästinensischen Nachbarn. Inzwischen steht fest, dass Israel im Rahmen einer Friedensregelung hunderte Millionen Kubikmeter Wasser an die Palästinenser abgeben muss. Trotz aller Warnungen stieg der Wasserverbrauch ständig. Weder die Beschränkung der Wasserzuteilung für die Landwirtschaft noch Sparappelle in Anzeigenkampagnen brachten den Umschwung. So ist Israel zwar Exporteur hochwertigen Obstes und Gemüses, doch die Erfüllung des Traums der Gründungsväter Israels hat ihren Preis. Rund 1,2 Milliarden Kubikmeter Wasser, rund 55 Prozent des Gesamtverbrauchs Israels, fließen in die Landwirtschaft. Mit jedem Apfel, jeder Avocado exportiert Israel auch kostbares Wasser. Durch die ungehemmte Ausbeutung der Reserven drohen die natürlichen Wasservorräte zu versalzen. Schon beklagen die Experten eine deutliche Verschlechterung der Trinkwasser-Qualität. Rigorores Sparen oder neue Wasserquellen könnten Abhilfe schaffen. Doch Wasser sparen fällt in Israel bei einem Wasserpreis, der weit unter dem etwa europäischer Industriestaaten liegt, besonders schwer. Nun versucht Israel sogar Wasser zu importieren. Dazu flogen Experten dieser Tage in die islamische Türkei. Doch selbst die 50 Millionen Kubikmeter Wasser, die in Spezial-Tankern herbeigeholt werden sollen, wären nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Auch der kürzliche Beschluss der Regierung, eine erste Anlage zur Meerwasser-Entsalzung zu bauen, wird den akuten Mangel nicht beseitigen. Bis die Anlage in Betrieb geht, werden mindestens vier Jahre vergehen.
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