Süddeutsche Zeitung, 21.6.2000 Die Zukunft heißt Baschar Nach der Machtübernahme durch Assads Sohn verspricht die Baath-Partei, dass jetzt ganz Syrien erneuert wird Sie saßen da, als ob die alten Zeiten noch immer andauerten: 1021 zumeist ältere Delegierte der sozialistischen Baath-Partei Syriens. Ihren Gesichtern sah man an, dass der letzte Kongress immerhin eineinhalb Jahrzehnte zurücklag. So lange nämlich hatte es der Generalsekretär der Partei, Hafis el-Assad, nicht für nötig befunden, die Meinung der Parteimitglieder einzuholen. Nun aber waren sie plötzlich gefragt: Hafis el-Assad hatte, als er noch am Leben war, die Delegierten gerufen, um seinen Sohn Baschar offiziell in die Machtzentren der Partei einzuführen. Nach dem nicht ganz unerwarteten Tod des Vaters musste Baschar im Eiltempo an die Spitze des Staates katapultiert werden: Oberst Baschar wurde zum Generalleutnant, zum Oberbefehlshaber der Armee, zum Parteivorsitzenden und zum Kandidaten für das Amt des Staatspräsidenten. Am Sonntag soll das Parlament einen Termin für ein Referendum nennen. Wie in alten Zeiten sangen die Delegierten ihre Hymne auf den Herrscher: "Unser Leben, unser Blut für Dich, Baschar." Baschar el-Assad, 34 Jahre alt, war wohl der jüngste Mann im Saal. Mit ernster Miene, aber ohne sichtbare innere Beteiligung folgte er dem Ritual. Dass er die Prozeduren aus einem anderen Zeitalter auch heute noch für angemessen hält, bezweifeln manche. Die Baath ist wie einst eine osteuropäische kommunistische Partei organisiert. Ihr Politbüro hat 21 Mitglieder. Zwei Drittel von ihnen, so wird in Damaskus erwartet, sollen jungen Leuten Platz machen. Erneuerung war das Wort, welches die älteren Herren am meisten gebrauchten. Syriens lang dienender Vizepräsident Abdel-Halim Khaddam forderte die Genossen auf, sich den neuen Zeiten nicht zu verschließen. Das Verhältnis von Staat und Partei müsse überdacht werden, forderte Khaddam - eine fast revolutionäre These in einem Land, in welchem Partei- und Staatsämter eng miteinander verquickt sind. Khaddam forderte auch ein umfassendes wirtschaftliches Reformprogramm. Aus Angst vor zu viel Bewegung im starren Regierungs- und Wirtschaftssystem Syriens sind durchgreifende Neuerungen immer wieder aufgeschoben worden. Immerhin hat die geringfügige Förderung der Privatinitiative die syrische Wirtschaft vor dem Kollaps bewahrt. Gespannt wartete die Welt auf ein Wort des neuen Führers zum Friedensprozess mit Israel. Diesem Frieden fühle er sich verpflichtet, beteuerte Baschar. Dass die neue syrische Regierung mehr Zugeständnisse machen wird als der verstorbene Präsident, ist allerdings nicht zu erwarten. Syrien will die Wiederherstellung der Grenzen vom 5. Juni 1967. Diese Grenzen lassen einen kleinen Teil vom Ufer des Sees Genezareth in syrischer Hand. Gerüchteweise verlautete aber in Syrien, Baschar habe der amerikanischen Außenministerin Madeleine Albright versichert, er wolle den Vertragsabschluss mit Israel noch in diesem Jahr erreichen. Zur Bewältigung der Israelpolitik stehen zwei Männer des alten Regimes zur Verfügung: Mustafa Tlass, der Verteidigungsminister, und Faruk el-Sharaa, der Außenminister. Garant für die Erneuerung der Wirtschaft soll der erst kürzlich berufene, wohl schon von Baschar auserwählte neue Regierungschef Mustafa Miro sein. Der ehemalige Gouverneur von Aleppo gilt als fähiger Organisator. Offenbar erfüllt Miro auch eine der neueren Bedingungen für die Bekleidung eines hohen Postens: Er gilt als nicht korrupt. Heiko Flottau
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