Frankfurter Rundschau, 27.06.2000,

IM BLICKPUNKT
"Einwanderung endlich akzeptiert"

Kirchen und DGB zur geplanten Schily-Kommission

Von Ursula Rüssmann (Frankfurt a. M.)

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die kirchlichen Wohlfahrtsverbände setzen hohe Erwartungen in die von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) angekündigte Einwanderungskommission. Sie erhoffen eine sachlichere Debatte, die Zuwanderung "endlich aus der Ecke des nur Bedrohlichen" herausholen müsse, und fordern einhellig, Einwanderungs- und Asylfragen nicht zu vermengen.

"Sehr heftig" begrüßt der DGB die Bildung eines Gremiums, in dem nach Schilys Wunsch Vertreter aus Parteien und gesellschaftlichen Gruppen ein zeitgemäßes Einwanderungsrecht entwerfen sollen. Damit werde endlich die Konsequenz daraus gezogen, "dass Einwanderung in Deutschland unumkehrbar ist", lobt Leo Monz, Leiter des Referates Migration beim DGB-Vorstand, im Gespräch mit der FR.

In zentralen Forderungen ziehen der DGB, der katholische Deutsche Caritasverband und das evangelische Diakonische Werk an einem Strang. So gibt es laut Monz "keine Notwendigkeit, am Asylrechts-Artikel 16 zu rütteln". Klaus-Dieter Bastin, Abteilungsleiter Migration bei der Diakonie, betont: "Das, was vom Asylrecht noch übrig ist, muss bleiben." In Gesprächen mit dem Bundesinnenministerium versuchen die Kirchen derzeit, Schily für ihr Konzept einer großzügigen Härtefallregelung zu erwärmen, die abgelehnten Asylbewerbern in bestimmten Fällen ein Bleiberecht verschaffen soll.

Flüchtlinge dürfen laut DGB und Kirchen keinen Zuzugsquoten unterliegen - und auch der Familiennachzug dürfe nicht quotiert werden, fordert Hermann Uihlein, Flüchtlings- und Aussiedlerexperte der Caritas. Die Kirchen machen sich vielmehr für einen sozialen Faktor bei der Einwanderung stark, nach dem auch Eltern oder Geschwister hier Lebender bevorzugt zuwandern dürften. Auf Zuzugszahlen wollen sich die Experten nicht festlegen. Sie betonen aber, dass zuletzt mehr Ausländer aus- als eingewandert seien. Monz: "Forderungen nach Zuzugsbegrenzung haben mit den Fakten nichts mehr zu tun."

Die Verbände unterstreichen, dass nicht nur Einwanderung, sondern vor allem Integration besser geregelt werden müsse. Entscheidend für deren Gelingen: der Zugang zum Arbeitsmarkt. Deshalb sollte, so DGB-Mann Monz, "wer zugewandert ist, das Recht haben, zu arbeiten". Die unbürokratische Erteilung von Arbeitserlaubnissen müsse aber einher gehen mit verbesserter Qualifizierung der bereits hier Lebenden. Die Kirchen fordern, dass auch Flüchtlinge und Familienangehörige künftig sofort Arbeitserlaubnisse bekommen sollen. Um Integrationsdefizite abzubauen, müssten ferner Sprachkurse und Arbeitsförderungsmaßnahmen systematisiert und besser ausgestattet werden.

Eindringlich warnen die drei Verbände davor, Menschen nur eine befristete Einwanderung zu erlauben. Diakonie-Experte Bastin prangert ferner an, dass viele Zuwanderer, die teils über Jahre mit befristeten Duldungen leben müssten und "Selbsthilfe so verunmöglicht wird". Die Caritas fordert für diese Gruppe nach sechs Jahren ein Daueraufenthaltsrecht. Überhaupt, so DGB-Mann Monz, ist das gerade erst "vorsichtig gelockerte" Staatsangehörigkeitsrecht "weiter reformbedürftig".