junge Welt, 01.07.2000 Die Tür bleibt für USA offen Washington will sich nicht UN-Gerichtshof unterstellen, aber weiter über dessen Statut verhandeln Im Zusammenhang mit dem von der UNO zu schaffenden Internationalen Gerichtshof konnten am Donnerstag die USA einen Erfolg verbuchen. Es gelang ihnen, die Tür für weitere Gespräche in den Vereinten Nationen offenzuhalten. Es geht Washington darum, am Prestige des einzurichtenden Internationalen Gerichtshofs der UNO zur Verfolgung von Genozid, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit teilzuhaben, ohne aber die eigenen, amerikanischen Soldaten dessen Gerichtsbarkeit zu unterstellen. Die USA argumentierten zur Rechtfertigung einer solchen Ausnahmeregelung, ihre Soldaten kämpften schließlich an der Seite der Engel für Demokratie und Menschenrechte und könnten deshalb nichts Böses tun. Sie der internationalen Gerichtsbarkeit zu unterstellen würde anti-amerikanischem Mißbrauch Tür und Tor öffnen. Weil aber bisher die UNO keine Ausnahme für die Amerikaner machen wollte, hat Washington auch noch nicht das Gründungsstatut zur Schaffung des Gerichts unterschrieben, obwohl fast 100 Nationen, darunter die wichtigsten NATO-Alliierten, bereits unterzeichnet haben. Die europäischen Alliierten ließen die Clinton-Regierung am Donnerstag in New York jedoch nicht im Stich. Mit ihrer Hilfe wurde ein Kompromiß gefunden, der es nun den USA erlaubt, auch künftig an den Verhandlungsrunden für den Gerichtshof teilzunehmen. Ohne diesen Kompromiß hätten die USA am Donnerstag ausscheiden müssen. So kann Washington auch weiterhin die Verhandlungen über Form, Struktur und Funktionen des zu schaffenden Gerichtes beeinflussen und Weichen stellen, ohne auch nur zu beabsichtigen, dem Tribunal beizutreten und sich selbst seiner Gerichtsbarkeit zu unterwerfen. Dies führte bei unabhängigen Völkerrechtsexperten und UNO-Beamten zu einem Sturm der Entrüstung, weil dadurch das Gleichheitsprinzip verletzt und der Weg für weitere »Ausnahmefälle« zu Verhütung der Strafverfolgung geöffnet würde. Dafür erklärte der US-Sonderbotschafter für Menschenrechte Scheffer: »Die Welt braucht einen permanenten internationalen Gerichtshof zur Verfolgung von Kriegsverbrechen. Wir brauchen ihn, weil die Verantwortlichen für diese schrecklichen Verbrechen vor ein Gericht gestellt gehören und weil wir ein abschreckendes Mittel für zukünftige Generationen benötigen.« Scheffer erwähnte jedoch nicht, daß die USA vor zwei Jahren gegen die Gründung des Tribunals gestimmt hatten, weil das Verteidigungsministerium und der Kongreß dagegen gewesen waren. Statt dessen versprach er nun vollmundig Unterstützung, allerdings nur bedingte: »Dieses Gericht hat als Instrument der internationalen Gerechtigkeit ein ungeheures Potential. Wir sollten mit dem Gericht kooperieren und ihm helfen, wann immer es in unserem nationalen Interesse ist, dies zu tun«. Scheffer hätte die verlogene Politik der USA nicht besser entlarven können, degradierte er doch mit seinen Äußerungen die Menschenrechte zu einem Instrument der amerikanischen Machtpolitik. Die nächste Sitzung zur Vorbereitung des Gerichtshofs findet Ende des Jahres statt. Es soll die letzte sein, an der Länder wie die USA teilnehmen können, die die Gründungsakte nicht unterschrieben haben. Bis dahin will Washington in die diplomatische Offensive gehen, damit eine Ausnahmeklausel für die Strafverfolgung amerikanischer Bürger aufgenommen wird. Die Debatte am Donnerstag hat dazu bereits den Weg geebnet. In Washington machte ein hochrangiger Regierungsbeamter gegenüber der renommierten »New York Times« die Grenzen der amerikanischen Kooperationsbereitschaft mit dem internationalen Gericht nochmals deutlich: »Befürworter des Gerichts sprechen ganz sicher nicht für das amerikanische Volk. Es ist undenkbar, daß das amerikanische Volk einer Maßnahme zustimmen würde, die einen amerikanischen Soldaten oder Beamten vor ein Gericht schleppen würde, das nicht der amerikanischen Regierung verantwortlich ist.« Rainer Rupp |