Frankfurter Rundschau, 01.07.2000 Annäherung oder: Ein Ziel, verschiedene Wege Während sich griechische und türkische Zyprer treffen, kommen sich Politiker kaum näher Von Gerd Höhler (Athen) Wenige Tage vor der geplanten Fortsetzung der Zypern-Verhandlungen in Genf machen Angehörige beider Volksgruppen einen neuen Anlauf zur Überwindung der Inselteilung. Griechische und türkische Zyprer, die vor der Spaltung zusammen lebten, wollen sich am heutigen Samstag im Dorf Pyla an der Demarkationslinie treffen. Es ist die einzige Ortschaft, die von beiden Seiten der Grenze zugänglich ist. Das Wiedersehen organisieren vier bikommunale Jugendgruppen, die bereits im März zu einem Fest nach Pyla eingeladen hatten. Damals sangen mehr als tausend Jugendliche und Erwachsene aus beiden Teilen Zyperns zusammen, hörten einer bikommunalen Rock-Band zu und sahen griechische sowie türkische Volkstänze. Für das heutige Treffen waren die jungen Organisatoren seit Wochen in Städten und Dörfern beiderseits der Demarkationslinie unterwegs, um Verbindungen zwischen alten Freunden und Nachbarn wieder herzustellen. Die Resonanz war sehr groß. Dabei glaubt der junge griechisch-zyprische Lehrer Nikos Anastasiou einen Schatz guter Erinnerungen entdeckt zu haben, die seit Jahrzehnten verschüttet waren. Viele der einstigen Nachbarn haben sich seit fast vierzig Jahren nicht mehr gesehen. Damals, Anfang der sechziger Jahre, gab es auf dem eben erst von den britischen Kolonialherren in die Unabhängigkeit entlassenen Zypern die ersten, blutigen Konflikte zwischen radikalen Gruppen beider Volksgruppen. Die türkischen Zyprer, etwa 18 Prozent der Inselbevölkerung, zogen sich in Enklaven zurück. Damit begann die Inselteilung. Sie wurde besiegelt, als türkische Truppen im Sommer 1974 den Norden Zyperns besetzten. Ankara kam dem Versuch der in Athen regierenden Obristenjunta zuvor, die Insel zu annektieren. 180000 griechische Zyprer flohen seinerzeit vor den türkischen Invasionstruppen in den Süden, 50000 türkische Zyprer siedelten von dort in den Norden um. Seither sind alle Versuche, die Spaltung zu überwinden, gescheitert. Auch die unter der Leitung der Vereinten Nationen stehende dritte Runde der "Annäherungsgespräche", zu denen der türkische Volksgruppenchef Rauf Denktasch und der griechisch-zyprische Präsident Glafkos Klerides am kommenden Mittwoch in Genf erwartet werden, drohen im Sande zu verlaufen. Zwei Verhandlungsrunden endeten bereits ergebnislos. Strittig bei den Gesprächen über eine neue Verfassungsordnung für Zypern ist vor allem das Maß an Selbstverwaltung, die beide Volksgruppen haben sollen. Während den Inselgriechen ein bundesstaatliches Modell vorschwebt, will sich Denktasch allenfalls auf einen lockeren Staatenbund seiner bisher nur von Ankara anerkannten Türkischen Republik Nordzypern (KKTC) mit den griechischen Zyprern einlassen. Erst nach langem Zögern sagte Denktasch am Donnerstag seine Teilnahme an den Genfer Gesprächen zu. Dass er sich in den am nächsten Mittwoch beginnenden Verhandlungen Zugeständnisse abhandeln lässt, gilt als äußerst unwahrscheinlich. Eigentliches Ziel des türkischen Volksgruppenführers, glauben Beobachter, sei es, den Status quo der Teilung zu zementieren. |