Die Welt, 03.07.2000 Hohe Strafen gegen Juden in Iran stoßen auf Empörung In aller Welt wird Teheran für rechtlich mangelhafte Prozessführung scharf kritisiert - Führung zeigt sich unbeeindruckt Schiras/Jerusalem - Die Verurteilung von zehn Juden durch ein iranisches Gericht wegen angeblicher Spionage für Israel ist international scharf kritisiert worden. Die israelische Regierung zeigte sich nach dem Urteilsspruch am Samstag "schockiert" über die Haftstrafen von vier bis 13 Jahren. Moniert wurden in aller Welt vor allem ein "Mangel an Rechtsstaatlichkeit" und "fehlende Transparenz" bei dem Prozess, der hinter verschlossenen Türen stattfand. Weltweit zeigten sich jüdische Institutionen, darunter der Zentralrat der Juden in Deutschland, erleichtert, dass zumindest kein Todesurteil gesprochen worden war. Iran verbat sich die "Einmischung von außen" und erklärte, die Verfolgung von "Spionen" gehe weiter. Das Revolutionsgericht im iranischen Schiras hatte am Samstag zehn von 13 angeklagten Juden zu Haftstrafen von vier bis 13 Jahren verurteilt; drei Juden wurden freigesprochen. Zwei Moslems wurden mit je zwei Jahren Gefängnis vergleichsweise milde bestraft, zwei weitere Moslems erklärten die Richter für unschuldig. Das Gericht verhängte auch Geldstrafen und Peitschenhiebe. In der Urteilsbegründung hieß es, die Verurteilten gehörten einem seit 20 Jahren bestehenden Spionagenetzes in Schiras an, das sich auf militärische Informationen spezialisiert habe. Die Verteidiger kündigten umgehend Berufung an, weil die Schuldsprüche "politischer Natur" seien. Der israelische Ministerpräsident Ehud Barak beschuldigte Iran, "unschuldige Menschen" zu verurteilen. In einer Erklärung seines Büros hieß es am Samstag, die internationale Gemeinschaft sei aufgerufen, weiter Druck auf Iran auszuüben, um "die Freilassung der unschuldigen Gefangenen" zu erreichen. Auch die jüdische Gemeinde in Iran zeigte sich entsetzt über das Urteil. US-Präsident Clinton erklärte: "Wir appellieren an die iranische Regierung, diese Fehler sofort zu beheben, indem die ungerechten Urteile aufgehoben werden." Der kanadische Außenminister Lloyd Axworthy beklagte "viele Verfahrensmängel" bei dem Prozess in Schiras. Im Namen der Europäischen Union erklärte das Pariser Außenamt, die "Enttäuschung" der Union über die Tatsache, dass der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand. Premierminister Lionel Jospin sagte, sein Land könne "die Art des Schuldspruchs nicht hinnehmen". Der niederländische Außenminister Jozias van Aartsen bestellte den iranischen Botschafter ein, um ihm mitzuteilen, dass "die EU die Angelegenheit des Prozesses als entscheidenden Test für die Beziehungen zu Iran" betrachte. In Teheran kamen nach Diplomatenangaben die Botschafter der EU-Staaten zusammen, um ihr gemeinsames Vorgehen abzustimmen. Für den stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland, Michel Friedman, brachte der "Schauprozess" immerhin einen "Teilerfolg, weil die iranische Diktatur dank der internationalen und auch deutschen Proteste sich nicht zur Todesstrafe hinreißen ließ." Dennoch seien die Haftstrafen ein "politisches und ungerechtes" Urteil. "Iran muss wissen, dass die freie Welt Rechtsstaatlichkeit auch in diesem Falle weiter erwarten wird", unterstrich Friedman. Der Gerichtspräsident in Schiras, Hossein Ali Amiri, sagte der amtlichen Nachrichtenagentur IRNA, die Ermittlungen gegen alle "Spione" Israels seien noch lange nicht abgeschlossen. Ein Sprecher des Außenministeriums in Teheran betonte, die jüngsten Urteile seien "völlig unabhängig und im nationalen Interesse" des Landes gefällt worden. AFP |