junge Welt 5.7.2000

Schröder zeigt die Panzerfaust

Stern: Bundessicherheitsrat stimmt Waffenlieferung an Saudi-Arabien zu.

jW-Bericht

Der Bundessicherheitsrat hat offenbar der Lieferung von 1200 Panzerfäusten an Saudi Arabien zugestimmt. Wie das Hamburger Magazin Stern in seiner am Donnerstag erscheinenden Ausgabe berichtet, entschied sich das Gremium in streng vertraulicher Sitzung am 28. Juni unter Vorsitz von Bundeskanzler Gerhard Schröder mit drei zu zwei Stimmen für die Exportgenehmigung. Nach Angaben des Magzins sollen das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium gegen das Exportgeschäft gestimmt haben. Angeblich sei beabsichtigt, die Waffen zur regionalen Konfliktbekämpfung einzusetzen.
Der sich höchst geheim gebende Bundessicherheitsrat scheint damit erneut seine Beschlüsse in aller Öffentlichkeit gefaßt zu haben. Beobachter betrachten das mit einem gewissen Sarkasmus als eindrucksvolles Zeichen für politische Transparenz innerhalb der rot-grünen Bundesregierung. Diese dürfte eine solche Nähe zur Öffentlichkeit allerdings nicht beabsichtigt haben.
Zumindest stellt man sich in den diversen Stabsstellen erst einmal unwissend. Ihm sei »nichts bekannt« äußerte ein Mitarbeiter des Bundespresseamtes zum Stern-Bericht. Wie auch, wenn hinter den Kulissen zunächst wohl die übliche Suche nach der undichten Stelle gestartet werden müßte. Unterstellt man, daß der Stern sich nichts ausdenkt, sondern Informationen aus erster Hand besitzt, ergibt das Ganze zwar keinen richtigen Skandal - die »Fuchs«- Spürpanzer der Kohl-Regierung für Saudi-Arabien waren da ein ganz anderes Kaliber -, aber der Widerspruch des Auswärtigen Amtes und des Ministeriums von Heidemarie Wieczorek-Zeul deutet darauf hin, daß der Regierung bei der Frage von Waffenexporten weiteres Ungemach auch aus den eigenen Reihen droht.
Saudi-Arabien gilt zwar offiziell als treuer Verbündeter der NATO und damit Freund der Bundesrepublik, aber hinter vorgehaltener Hand werden immer wieder Bedenken laut. Das arabische Öl-Königreich hat sich nach Angaben von Friedensforschern nicht selten als Waffenlieferant in Kriegs- und Konfliktgebiete hervorgetan. Auch dürfte es, trotz Golfkrieg, stets israelische Sicherheitsinteressen berühren, wenn High-Tech-Waffen in den Nahen Osten geliefert werden. Auch stellt sich die Frage, was mit »regionaler Konfliktbekämpfung« gemeint sein mag, für die die Waffen angeblich eingesetzt werden sollen.
Der kürzlich beendete Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten Zhu Rongji in Deutschland und die massiven Interessen der Wirtschaft an guten Beziehungen zur Volksrepublik dürfte wesentlicher Grund dafür sein, warum der Bundessicherheitsrat einen weiteren Waffendeal abgelehnt haben soll. Militärische Instrumente und Geräte - Ladevorrichtungen und sogenannte elektronische Wanderfeldröhren - sollten an Taiwan verkauft werden. Das hätte für heftige Verstimmung in Peking gesorgt. Vertagt habe der Sicherheitsrat, so der Stern weiter, eine Entscheidung über den Export von Software für »Beobachtungs- und Aufklärungsausstattung« an den NATO-Partner Türkei.