junge Welt 5.7.2000
Als nächstes in den Kaukasus
Joseph Fischer und Bodo Hombach bilanzierten ein Jahr »Stabilitätspakt
für Südosteuropa«
Am Dienstag fand in der Berliner Zentrale der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung
eine internationale Konferenz mit dem Titel »Ein Jahr Stabilitätspakt
für Südosteuropa - eine erste Bilanz« statt. Veranstalter
waren die Südosteuropa- Gesellschaft und die Deutsche Welle. Die
1952 in München gegründete Gesellschaft hat 650 Mitglieder,
darunter viele hochrangige Politiker und Wirtschaftsvertreter, und ist
eine der einflußreichsten Pressure-Groups für die geostrategischen
und wirtschaftlichen Interessen Deutschlands in dieser Region. Der »Stabilitätspakt«
wurde unmittelbar nach dem Ende des NATO-Krieges gegen Jugoslawien auf
deutsche Initiative hin gegründet. Neben den Mitgliedsstaaten der
EU, den weiteren Mitgliedern der G-8-Gruppe (Japan, USA, Kanada und
Rußland) und den Staaten der südosteuropäischen Region,
außer Jugoslawien natürlich, gehören dem Pakt auch internationale
Institutionen wie der Internationale Währungsfonds, die Weltbank
und die Europäische Investitionsbank an.
In der Begrüßung der Teilnehmer erläuterte der SPD-
Abgeordnete Gernot Erler die Bedeutung des Stabilitätspaktes. Schon
jetzt werde über die Notwendigkeit eines ähnlichen Paktes
für den Kaukasus diskutiert. Der deutsche Außenminister Joseph
Fischer (Grüne) faßte in seiner Eröffnungsrede nochmals
die Ziele der deutschen Balkan- Politik zusammen. Es müsse erreicht
werden, daß die Volkswirtschaften in dieser Region »kompatibel
zu dem sind, was in der EU geschieht«. Das gemeinsame Handeln
der EU sei ein Ergebnis des westeuropäischen Integrationsprozesses,
der seit Ende des Kalten Krieges beginne, in einen gesamteuropäischen
überzugehen. Fischer betonte erneut, daß bei der Durchsetzung
dieses Zieles die Anwendung militärischer Gewalt eine Option sein
könne. Aus heutiger Sicht müsse man sagen, daß es schon
1992 richtig gewesen wäre, mit kriegerischen Aktionen gegen die
»aggressive, hegemoniale Politik Serbiens« vorzugehen. Gerade
in Deutschland hätte man erkennen müssen, wohin es führe,
wenn man einem »brutalen, menschenverachtenden Diktator wie Milosevic«
nicht rechtzeitig entgegentrete, so Fischer in offensichtlicher Anspielung
auf seinen früheren »Auschwitz- Vergleich«. Trost hatte
Fischer für die groß-albanischen Nationalisten parat. Zwar
sei »die albanische Frage zur Zeit nicht lösbar«, die
müsse aber »offengehalten werden«. Schließlich
habe es ja auch in Deutschland nach dem Krieg über vierzig Jahre
bis zur Wiedervereinigung gedauert.
Bodo Hombach, der Sonderkoordinator für den Stabilitätspakt,
erläuterte in seiner Ansprache die Fortschritte bei der Destabilisierung
Jugoslawiens. Mit der Teilrepublik Montenegro habe man bereits ein hohes
Maß an Kooperation erreicht. Die im Oktober 1999 im ungarischen
Szeged beschlossene massive Förderung regierungsfeindlicher Medien
in Verbindung mit wirtschaftlichen Hilfen für 44 von der serbischen
Opposition regierte Städte und Gemeinden werde weiter ausgebaut.
Selbstverständlich bleibe die Republik Jugoslawien von dem Stabilitätspakt
ausgeschlossen, solange Milosevic an der Macht ist.
Hombach appellierte an die Deutsche Wirtschaft, die durch den Stabilitätspakt
geschaffenen Voraussetzungen zu nutzen. In vielen Staaten der Region
gäbe es inzwischen ein »gutes Investionsklima« sowie
ein »großes Potential aus hoch motivierten und gut ausgebildeten
Arbeitskräften«.
Rainer Balcerowiak
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