Berner Zeitung, 05.07.2000 Saddams Schatten über Washington In den USA wächst die Kritik an der Irak-Politik der Regierung von Präsident Clinton. Den Kritikern aus dem republikanischen Lager mangelt es jedoch an überzeugenden Gegenvorschlägen. Ignaz Staub/TA, Washington Robert B. Zoellick ist einer jener Auserlesenen, die den republikanischen Präsidentschaftskandidaten George W. Bush in aussenpolitischen Fragen beraten. Unter Bush senior war der 46-jährige Harvard-Politologe Stellvertretender Staatssekretär im Aussenministerium und Vizestabschef im Weissen Haus. Er war, so ist zu vermuten, seinerzeit nicht ohne Einfluss bei der Formulierung der Politik gegenüber Saddam Hussein: 1991 sahen die USA am Ende des Golfkriegs davon ab, nach Bagdad zu marschieren und den irakischen Diktator mit Gewalt zu stürzen. Neun Jahre später ist Robert B. Zoellick einer jener Kritiker aus den Reihen der Republikanischen Partei, die Bill Clinton vorwerfen, die irakische Opposition schmählich im Stich gelassen zu haben. Zwar verabschiedete der Kongress 1998 ein Gesetz, das es Clinton erlaubt, 97 Millionen Dollar auszugeben, um Saddams Sturz zu fördern. Doch von dieser Summe gab die US-Regierung erst 20 000 Dollar aus: Drei Exil-Iraker besuchten auf einer Luftwaffenbasis in Florida einen Ausbildungskurs. Iraks Opposition regt sich Zoellick befürwortet eine wesentlich härtere Politik gegen Irak, obwohl er sich - wie vor dem «American Enterprise Institute», einer konservativen Washingtoner «Denkfabrik» - über konkrete Schritte ausschweigt. Doch die Vorstellungen des Bush-Beraters dürften Vorschlägen ähneln, die Vertreter der irakischen Opposition letzteWoche in Washington präsentierten. So forderten die Exilierten die Erweiterung der Flugverbotszonen im Norden und Süden Iraks, die Errichtung von Fahrverbotszonen für irakische Panzer und Militärfahrzeuge sowie die Schaffung humanitärer Hilfszentren im Lande, die von Oppositionellen betrieben würden. Ahmad Chalabi, einer der Führer des «Iraqi National Congress» (INC), beklagte in Wa- shington den Umstand, dass die US-Regierung nicht bereit sei, den Widerstand gegen Saddam Hussein mit Waffen und anderem militärischem Gerät auszurüsten. «Wir können Irak nicht befreien, indem wir Verwundete behandeln», sagte Chalabi vor dem US-Senat. «Wir müssen Irak befreien, indem wir gegen Saddam kämpfen.» Gezielte (Des)information? Wohl nicht zufällig sind in jüngster Zeit in Washington Informationen an die Öffentlichkeit gedrungen, die Kritikern der Irak-Politik Clintons Nahrung geben. Einem Bericht der «New York Times» zufolge hat Irak jüngst erneut be-gonnen, Kurzstreckenraketen zu testen. Zwar unterliegen die Raketen wegen ihrer geringen Reichweite (weniger als 150 Kilometer) nicht den Rüstungsbeschränkungen, welche die UNO nach dem Golfkrieg Bagdad auferlegte. Doch US-Offizielle sehen die Versuche als Beweis für die Absicht Saddams, künftig erneut Raketen mit grösserer Reichweite zu bauen, die sich mit chemischen oder biologischen Sprengköpfen bestücken liessen. Derweil vermeldet die «Los Angeles Times», Irak verdiene derzeit mit dem Schmuggel von Erdöl bis zu 42 Millionen Dollar pro Monat und setze dieses Geld teilweise zum Wiederaufbau seines Arsenals ein. Den illegalen Handel erleichtert der Umstand, dass Iran - mutmasslich gegen eine Beteiligung am Profit - seine Insel Qeys im Persischen Golf als Umschlagplatz für die Ware zur Verfügung stellt. Irak als Wahlkampfthema «Saddam ist auf diese Art von Handel sehr angewiesen», sagt ein Regierungsvertreter in Washington. «Es ist seine grösste Einnahmequelle, die nicht unter der Kontrolle der UNO steht.» Jedenfalls könnte die Irak-Politik im Herbst wider Erwarten zu einem Thema im Präsidentschaftswahlkampf werden. Zwar hat Al Gore die irakischen Oppositionellen letzte Woche in Washington seiner Unterstützung versichert. Doch darauf dürften George W. Bush und sein aussenpolitischer Berater Robert B. Zoellick erwidern, dass die amerikanische Regierung, wie so oft, «zu wenig zu spät» unternehme, um den «Besorgnis erregenden Saddam» zu stürzen.
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