Frankfurter Rundschau, 05.07.2000 Vertraute Gegner im Zypern-Streit Denktasch und Klerides verhandeln in Genf über Annäherung Von Gerd Höhler (Athen) Die beiden Männer kennen sich. Viele Dutzend Mal schon haben Rauf Denktasch, der türkische Volksgruppenführer auf Zypern, und Glafkos Klerides, der griechisch-zyprische Inselpräsident, in den vergangenen 25 Jahren einander gegenüber gesessen und über die Zukunft der geteilten Insel verhandelt. In Genf nehmen sie an der dritten Runde der Zypern-Gespräche teil. In jüngster Zeit entwickelt Denktasch immer stärkere Berührungsängste. Bei der an diesem Mittwoch beginnenden dritten Runde der so genannten Annäherungsgespräche will der Türke seinem Widerpart aus dem Weg gehen. Verhandeln werden die beiden Männer nur indirekt, unter Vermittlung des UN- Generalsekretärs Kofi Annan und seiner Diplomaten. Klerides die Hand schütteln will Denktasch erst, wenn die Inselgriechen seine bisher als völkerrechtswidrig geächtete Türkische Republik Nordzypern (KKTC) anerkennen. Denktasch und Klerides, diese beiden Veteranen, haben die Politik auf der seit 1974 geteilten Insel seit Jahrzehnten geprägt. Der 76-jährige Denktasch ist seit Anfang der sechziger Jahre die dominierende politische Figur unter den türkischen Zyprioten, die 18 Prozent der Inselbevölkerung stellen. "Ich schwöre, dass die türkische Volksgruppe niemals in die Rolle einer Minderheit gedrängt und dass Zypern niemals griechisch wird", gelobte er 1963, drei Jahre nach der Unabhängigkeit der britischen Kolonie. Damals gab es die ersten blutigen Konflikte zwischen beiden Volksgruppen. Die türkischen Zyprer begannen, sich in Enklaven zurückzuziehen. Im Sommer 1974 versuchten die damals in Athen regierenden Obristen, den Inselpräsidenten Makarios zu stürzen und Zypern zu besetzen. Die Türkei reagierte mit einer Invasion und der Besetzung des Inselnordens. Dort rief Denktasch 1983 seine KKTC aus, als deren Präsident er seither fungiert. Erst im April wurde Denktasch für weitere vier Jahre in diesem Amt bestätigt. Unumstritten ist der schwergewichtige Türke allerdings auch unter seinen eigenen Landsleuten nicht: seine Kritiker werfen ihm vor, er monopolisiere das politische Leben im türkischen Norden der Insel wie ein Sultan. Vor allem an Denktaschs Verweigerungshaltung seien die Bemühungen um eine Wiedervereinigung Zyperns bisher gescheitert, heißt es im griechischen Süden. Auch jetzt gehe es ihm allein darum, mit der Forderung nach Anerkennung seiner KKTC die Inselteilung völkerrechtlich festzuschreiben. Denktasch dagegen wirft den Griechen vor, sie wollten sich "erneut, wie schon in den sechziger Jahren, zu den alleinigen Herren Zyperns aufschwingen". Wie Denktasch, ist auch der 80-jährige konservative Zyperngrieche Klerides, der 1993 zum Präsidenten im Inselsüden gewählt wurde, ein alter Fuchs. Die Bekanntschaft der beiden Männer geht in die Nachkriegsjahre zurück, als beide in London Jura studierten. Denktasch kam mit einem britischen Stipendium nach England, Klerides als ein verdienter ehemaliger Bomberpilot der Royal Air Force, der 1942 über Hamburg abgeschossen worden war und bis Kriegsende in deutscher Gefangenschaft blieb. Zurück auf Zypern, verteidigte der Anwalt Klerides in den fünfziger Jahren Mitglieder der militanten griechisch-zyprischen Befreiungsbewegung EOKA. Sein Gegenspieler in vielen dieser Prozesse war Denktasch, der den britischen Kolonialherren als Generalstaatsanwalt diente. Nach der Inselteilung saßen sich die beiden Männer viele Male als Verhandlungsführer in den Volksgruppengesprächen gegenüber. Während die Zyperngriechen nun einen aus zwei Kantonen bestehenden Bundesstaat favorisieren, will Denktasch allenfalls über einen lockeren Bund zweier souveräner Staaten mit sich reden lassen. In Genf geht es nun darum, einen Kompromiss dieser beiden Positionen zu finden. Dass Denktasch ohne handfeste Gegenleistungen klein beigibt, ist nicht zu erwarten. Der Inselgrieche Klerides weiß schon seit 25 Jahren, dass er es mit einem gewieften Kontrahenten zu tun hat: "Er versucht immerzu, mir billigen Fusel in einer Whiskyflasche anzudrehen", sagt er über Denktasch.
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