Neue Zürcher Zeitung, 06.07.2000 Denktasch erneut auf Konfrontationskurs Schikanen gegen die Uno-Truppen in Nordzypern Neue Spannungen auf der geteilten Mittelmeerinsel Zypern überschatten die Gespräche unter der Schirmherrschaft der Uno, die am Mittwoch in Genf begonnen haben und die zu einer Annäherung zwischen den Inselgriechen und den Inseltürken führen sollen. Die türkischzypriotische Führung hatte in der letzten Woche Massnahmen zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit der auf Zypern stationierten Uno-Truppen bekannt gegeben. it. Istanbul, 5. Juli Die dritte Runde der indirekten Zyperngespräche, die Uno-Generalsekretär Kofi Annan am Mittwoch in Genf eröffnet hat, stehen unter schlechten Vorzeichen. Der Führer der Inseltürken, Rauf Denktasch, der bei allen Gesprächen über eine Lösung des Zypernkonflikts seit Beginn der sechziger Jahre dabei war, hat einen Durchbruch bei den Verhandlungen in Genf ausgeschlossen. Nichts werde bei diesen Gesprächen herauskommen, erklärte er am Dienstag vor seiner Abreise nach Genf. Auch der Präsident der Griechischzyprioten, Glavkos Klerides, zeigte sich nicht sonderlich optimistisch. Denktasch und Klerides haben beim Zypernkonflikt immer entgegengesetzte Positionen vertreten. Beide Männer fingen ihre Karriere als junge, in London ausgebildete Anwälte Mitte der fünfziger Jahre an, als Zypern noch eine britische Kronkolonie war. Vor den Gerichten verteidigte damals Klerides Guerillakämpfer, die gegen Grossbritannien und für die Unabhängigkeit Zyperns kämpften, während Denktasch Oberstaatsanwalt im Dienste Londons war. Kaum überbrückbar scheinen ihre Positionen auch heute. Während Klerides auf Zypern eine Föderation mit einer starken Zentralregierung anstrebt, will Denktasch zwei unabhängige Staaten, die höchstens einen losen Bund eingehen. Aussenpolitische Faktoren Die östliche Mittelmeerinsel ist nach dem Putsch des damaligen Athener Obristenregimes und der Invasion der türkischen Armee im Jahre 1974 in einen türkischzypriotischen Norden und einen griechischzypriotischen Süden geteilt. Dutzende von Initiativen der Uno zur Wiedervereinigung der Insel blieben seither Makulatur, was zwischen den Mutterländern Griechenland und der Türkei zu Spannungen führte. Letzten Dezember schien aber wieder Bewegung in den festgefahrenen Konflikt gekommen zu sein. Die amerikanische Regierung gab in Rahmen ihrer Initiative für eine Annäherung zwischen Athen und Ankara zu verstehen, dass diese dritte Runde der Zyperngespräche ausschlaggebend sein würde. Zuvor hatte Griechenland eingewilligt, die Aufnahme der Türkei in den Kreis der EU-Kandidaten nicht zu blockieren. Im Gegenzug versprach die Türkei, die im türkischen Nordteil 35 000 Soldaten stationiert hat, nun auf eine Lösung des Zypernproblems hinzuarbeiten. Die Genfer Gespräche werden wegen eines sich zuspitzenden Streits zwischen der Uno und Denktasch erschwert. Dieser war Mitte Juni ausgebrochen, als der Uno-Sicherheitsrat das Mandat für seine Truppen auf der geteilten Insel (Unficyp) routinemässig verlängerte. Uno-Soldaten befinden sich seit März 1964 auf Zypern und kontrollieren seit 1974 die Demarkationslinie, welche die Inseltürken von den Inselgriechen trennt. Der Sicherheitsrat hat sich dabei, offenbar auf Druck der Inselgriechen, lediglich auf die international allein anerkannte griechischzypriotische Regierung berufen, was Denktasch als Verrat empfand. Sechs Monate zuvor hatte der Uno-Sicherheitsrat bei der damaligen Verlängerung des Mandats in einem Zusatzprotokoll erwähnt, dass auch die türkischzypriotische Administration der Präsenz der Uno-Truppen zustimmen sollte. Denktasch und Ankara sprachen damals in vorschnellem Optimismus von einer indirekten Anerkennung der 1983 von Denktasch einseitig ausgerufenen «Türkischen Republik Nordzypern». Einschränkung der Bewegungsfreiheit Verärgert über die Haltung der Uno griff Denktasch letzte Woche zu Massnahmen. Die Uno- Soldaten dürfen künftig für die Fahrt in den Nordteil nur noch den Übergang beim früheren Hotel Ledra Palace in Nikosia benutzen. Die Uno muss ferner ihre Fahrzeuge im Norden der Insel bei türkischzypriotischen Gesellschaften versichern lassen. Die Uno-Truppe hat zudem für Elektrizität und Wasser sowie für die Dienstleistungen, die ihre Soldaten im Norden in Anspruch nehmen, zu bezahlen. Am vergangenen Wochenende rückten zudem türkischzypriotische Soldaten An einer Stelle im Niemandsland um 300 Meter vor und errichteten Barrikaden auf der Strasse, die zum griechischen Dorf Strofilia führt. Seither sind die neun Bewohner des Ortes von der Aussenwelt abgeschnitten. Als einen «taktischen Krieg» der türkischen Seite bezeichnete am Mittwoch die Tageszeitung «Yeni Binyil» die Strafmassnahmen von Denktasch und weist darauf hin, dass Ankara damit seine Zukunft in der EU riskiere. Die Konsequenzen sind vorerst nicht absehbar. Athen hat den Vorstoss der türkischzypriotischen Truppen als «illegal und inakzeptabel» bezeichnet, während die Uno von einer Verletzung des Status quo sprach. Auch die Inseltürken betrachten die jüngste Entwicklung mit Besorgnis. Sie hatten bei den letzten Wahlen im Nordteil der Insel mit ihrem Stimmzettel signalisiert, dass sie des permanenten «taktischen Kriegs» ihres Führers überdrüssig sind und endlich eine Lösung des Zypernkonflikts wünschen.
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