junge Welt, 06.07.2000

Flüchtlingsprotest

Berlin: Flüchtlingsrat fordert Aufhebung des Arbeitsverbotes für Asylbewerber

Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit«, heißt es im Kinder- und Jugendhilfegesetz. Doch in der Realität stellt sich die Situation für junge Flüchtlinge anders dar. Während die Innenverwaltung in Berlin die Bleiberechtsregelung für Asylbewerber mit langjährigem Aufenthalt kürzlich nachgebessert hat und sogenannte Altfälle, das heißt, Menschen, die vor dem 1.Juli 1993 eingereist sind, ab sofort eine sechsmonatige Aufenthaltsbefugnis erhalten und damit auf Arbeitssuche gehen können, bleibt das vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung erlassene De-facto-Arbeitsverbot für Flüchtlinge, die nach dem 15. Mai 1997 eingereist sind, in Kraft.

Der »Arbeitskreis Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge« des Flüchtlingsrates Berlin protestierte deshalb am Dienstag gemeinsam mit 50 jungen Flüchtlingen vor dem Bundesarbeitsministerium gegen das immer noch bestehende Arbeits- und Ausbildungsverbot.

»Die über 5000 betroffenen Flüchtlinge allein in Berlin dürfen in der aktuellen Debatte um Einwanderungsgesetz und Green-Card-Erteilung nicht vergessen werden. Sie haben nach dem Ablegen von Schulabschlüssen gegenwärtig keine Chance auf eine weitere Ausbildung. Da sie aus Kriegs- und Bürgerkriegsregionen stammen, werden sie auch künftig nicht zurückkehren können. Ihnen sollte in der Bundesrepublik eine Perspektive geboten werden«, verlangt der Flüchtlingsrat Berlin. Er steht damit nicht allein. Neben dem Deutschen Gewerkschaftsbund und der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung fordern auch die Grünen die Aufhebung der bisherigen Regelung. »Dieses Verbot ist rechtswidrig und muß weg«, erklärte Cem Özdemir, innenpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Auch der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Dieter Hundt, spricht sich - sicherlich nicht ohne Hintergedanken - inzwischen für die Beseitigung der Vorschrift aus. »Das generelle Arbeitsverbot für Asylbewerber hat sich nicht bewährt und sollte aufgehoben werden«, so Hundt in der Magdeburger Volksstimme. In vielen Branchen herrsche Arbeitskräftemangel. Unterdessen kündigte ein Sprecher des Arbeitsministeriums an, für einige besonders harte Fälle Soforthilfe zu leisten.

Christian Linde