web de 06.07.2000 13:53
Nahost-Gipfel stürzt israelische Regierung in eine Krise
Zwei Parteien wollen Koalition verlassen - Barak verteidigt seinen Kurs
Jerusalem (AP)
Der bevorstehende Nahost-Gipfel in den USA hat die israelische Regierung
in eine Krise gestürzt. Nur wenige Stunden, nachdem der israelische
Ministerpräsident Ehud Barak und der palästinensische Präsident
Jassir Arafat am Mittwoch die Einladung von US-Präsident Bill Clinton
angenommen hatten, erklärten zwei Parteien ihren Austritt aus der
Regierungskoalition. Barak verliert damit seine Mehrheit im Parlament,
bekräftigte aber, er lasse sich nicht von seinem Kurs abbringen.
Das Gipfeltreffen in der kommenden Woche in Camp David biete eine historische
Chance.
Im Streit um den Friedensprozess hatte zuerst die Einwandererpartei
Israel B'Alija von Innenminister Natan Scharanski ihren Austritt aus
der Koalition erklärt. Wenig später folgte die Nationalreligiöse
Partei (NRP), deren Minister Schaul Jahalom unter Bezug auf das Gipfeltreffen
erklärte: «Herr Ministerpräsident, wir sind nicht länger
mit Ihnen, wir sind gegen Sie.» Scharanski hatte zuvor erklärt,
Barak scheine bereit, sich auf einen Kompromiss mit den Palästinensern
einzulassen. Dem könne er nicht zustimmen. Seine Partei stellt
im Parlament vier, die NRP fünf Abgeordnete. Mit ihrem Austritt
verfügt die Koalition nur noch über 59 der 120 Abgeordnetenmandate
in der Knesset.
Barak verteidigte seine Teilnahme an dem Gipfeltreffen, das am Dienstag
auf dem Landsitz des US-Präsidenten in Camp David beginnen soll.
Wenn er diese historische Chance nicht ergreife, könnte das zu
weiterem Blutvergießen zwischen Israel und den Palästinensern
führen und beide würden sich am Ende in der gleichen oder
einer schlechteren Position wiederfinden, sagte er.
Die Themen, die in Camp David zur Sprache kommen sollen, sind nach Ansicht
Baraks die schwierigsten Punkte im israelisch-palästinensischen
Verhältnis. In erster Linie geht es um die endgültige Grenze
zwischen Israel und dem künftigen Palästina, um den Status
von Jerusalem sowie um die Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge.
Die Palästinenser fordern, dass Israel das gesamte Westjordanland,
den Gazastreifen und Ost-Jerusalem abtritt und alle seit 1967 besetzten
Gebiete räumt. Außerdem verlangen sie ein Rückkehrrecht
für die Flüchtlinge des israelischen Unabhängigkeitskrieges
von 1948 und deren Nachkommen. Barak hatte dagegen wiederholt bekräftigt,
Israel werde die Kontrolle über einen Großteil der jüdischen
Siedlungen im Westjordanland und dem Gazastreifen behalten, Jerusalem
werde nicht geteilt und die Flüchtlinge dürften nicht nach
Israel zurückkehren.
Clinton sagte, wenn Barak und Arafat jetzt nicht die Gelegenheit nutzten,
«wenn sie keinen Fortschritt machen, dann wird es noch mehr Feindschaft
und Bitternis, vielleicht auch mehr Gewalt geben». Er hoffe, dass
die Umgebung die Verhandlungsparteien inspirieren werde. In Camp David
erzielten Israel und Ägypten unter Vermittlung des damaligen Präsidenten
Jimmy Carter 1978 das erste Friedensabkommen des jüdischen Staates
mit einem seiner arabischen Nachbarn.
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