Stuttgarter Nachrichten, 8.7.2000

Chatamis Gegner proben für ihren Auftritt

Berlin - Der dreitägige Deutschland-Besuch des iranischen Staatspräsidenten Chatami stellt nicht nur an die Sicherheitsbehörden höchste Anforderungen.
Auch politisch gilt die Visite in Regierungskreisen als "hochproblematisch''. Mit Demonstrationen und Irritationen ist allemal zu rechnen.

VON GUNTHER HARTWIG

Berliner Redaktion

Schon seit Wochen proben Exil-Iraner und der oppositionelle "Nationale Widerstandsrat'' am Brandenburger Tor für ihren großen Auftritt. Immer wieder erschallte am Pariser Platz der Ruf: "Chatami muss weg. Er ist ein Terrorist.'' Wenn das Staatsoberhaupt am Montag in Berlin eintrifft, gilt Sicherheitsstufe eins. Acht Protestkundgebungen sind bereits angemeldet. Sie wurden von der Polizei aber an Schauplätze weit weg von der offiziellen Route des Staatsbesuchs verwiesen. Dennoch werden massive Störungen und Gewalttätigkeiten nicht ausgeschlossen.

Wie ernst die Risiken von den zuständigen Stellen genommen werden, wird schon daran deutlich, dass in dem veröffentlichten Besuchsprogramm alle Zeitangaben fehlen. Das soll verhindern, dass sich auch iranische Regimekritiker exakt über den jeweiligen Aufenthaltsort Chatamis informieren können. Die Bundesregierung spricht amtlich von einem "großen präventiven Sicherheitsaufwand''. Der Staatsgast soll vorwiegend mit dem Hubschrauber befördert werden. Wie viele Polizeikräfte von Bund und Ländern am Boden im Einsatz sein werden, wurde nicht mitgeteilt.

Das Umfeld der Chatami-Visite ist aus historischen wie aktuellen Gründen schwierig. Beim letzten Besuch eines iranischen Staatschefs in Berlin kam es zu dramatischen Ausschreitungen: Das war 1967, als sich militante Schah-Gegner mit iranischen Geheimdienstlern ("Jubel-Perser'') eine blutige Straßenschlacht lieferten. In jüngster Zeit belasteten der Berliner Mykonos-Prozess und der Fall Hofer die bilateralen Beziehungen schwer.

Gleichwohl hält die Bundesregierung an ihrer Auffassung fest, dass der moderate Reformkurs des Präsidenten unterstützt werden muss. Chatami betreibe eine vorsichtige Öffnung seines islamisch fundierten Landes, die von Konservativen und Rechten im Iran massiv kritisiert werde. Es sei, heißt es in Berlin, von internationalem Interesse, das Land aus seiner Isolation herauszuholen. Deutschland spiele hier nicht einmal eine Vorreiterrolle. Chatami besuchte unlängst bereits Frankreich und Italien.

Dennoch formierte sich in den letzten Tagen auch in der Bundesrepublik Widerstand gegen den ungeliebten Staatsgast. 175 Bundestagsabgeordnete und 300 Landtagsabgeordnete aus allen Regionen unterschrieben ein Manifest gegen die Teheraner Regierung. CDU-Parlamentarier Arnold Vaatz nannte den Iran am Freitag "eine der grausamsten Diktaturen dieser Tage''.