HANDELSBLATT, 10.7.2000 Strenge Sicherheitsvorkehrungen Sorge vor Protesten überschattet Chatami - Besuch Grenzkontrolle am Samstag bei Saarbrücken Reuters BERLIN. Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen beginnt am Montag
in Berlin die Deutschlandreise des iranischen Präsidenten Mohammad
Chatami. Es ist der erste Besuch eines iranischen Staatsoberhaupts seit
1967. Die Bundesregierung sieht darin einen Neuanfang für die lange
gespannten Beziehungen zum Iran. Zudem sollen die Reformkräfte
im Iran gestärkt werden. Vorsichtige Annäherung nach dem "Mykonos" -Urteil und Hofer-Urteil Am Mittwoch besucht Chatami die thüringische Stadt Weimar, wo er ein Denkmal für den persischen Nationaldichter Hafis enthüllt, der großen Einfluss auf den deutschen Dichter Johann Wolfgang von Goethe hatte. Für Chatami ist es nicht der erste Aufenthalt in Deutschland: Während der Revolution im Iran war er 1979 Leiter des Islamischen Zentrums in Hamburg. Die Bundesregierung setzt darauf, mit dem Chatami-Besuch die deutsch-iranischen Beziehungen wiederzubeleben. Die Kontakte waren jahrelang schwer belastet: 1997 hatte ein Berliner Gericht der iranischen Staatsführung Verwicklung in einen Terroranschlag im Berliner Lokal "Mykonos" vorgeworfen. Erst Anfang des Jahres wurde der Geschäftsmann Helmut Hofer nach Verhaftung, Todesurteil und Begnadigung aus dem Iran freigelassen. Angesprochen werden sollen auch die Themen Menschenrechte, Rüstungskontrolle und Terrorismus. In der Wirtschaft werden dem Magazin "Focus" zufolge bereits
deutsch-iranische Großprojekte vorbereitet. In Arbeit seien unter
anderem ein Rahmenkreditvertrag über rund 1,1 Mrd. DM mit der iranischen
National Petrochemical Company und einem von der Deutschen Bank geführten
internationalen Konsortium. Unterschriftsreif sei ein erster Teil eines
Vertrags für den Bau einer Anlage zur Ethylen-Produktion im Iran
mit einem Finanzvolumen von 350 Mill. DM. Hauptlieferant soll die Firma
Linde sein. Schengener Abkommen ausser Kraft Aus Sorge vor gewaltsamen Protesten iranischer Oppositioneller greift die Regierung aber zu bislang einmaligen Sicherheitsvorkehrungen. Erstmals trat eine Sonderregelung des Schengener Abkommens in Kraft, die Grenzkontrollen wieder möglich macht. Bereits seit Freitag wird an den Grenzen zu Belgien, den Niederlanden, Luxemburg, Frankreich und Österreich wieder kontrolliert. Die von iranischen Oppositionellen genannte Zahl von 6000 Zurückweisungen an der Grenze wurde am Sonntag vom Bundesinnenministerium nicht bestätigt. Während des Besuches gilt die höchste Sicherheitsstufe. 3500 Beamte sind in Berlin im Einsatz, mehr als beim Besuch von US-Präsident Bill Clinton. Chatami bewegt sich während seines Besuchs nur per Hubschrauber. Oppositionelle Gruppen haben für Montag eine Demonstration mit bis zu 25 000 Teilnehmern angemeldet. Deutsche Geheimdienste befürchten nach einem Bericht des Magazins "Der Spiegel", dass der iranische Geheimdienst Provokateure unter die Demonstranten mischt, die gewalttätige Auseinandersetzungen anstacheln und damit die Reformregierung Chatamis schwächen sollen. |