Frankfurter Rundschau, 10.7.2000 Der "Halbmond des Todes" soll verschwinden In Jemen hat die Räumung von zwei Millionen Landminen begonnen / Ein Projekt der Vereinten Nationen Von Khaled Almahdi (ips) In Jemen haben die Regierung und die Vereinten Nationen (UN) ein bislang einzigartiges Programm zur Erfassung der im Lande verborgenen Landminen und zu deren Räumung gestartet. Der so genannte "Level One Land Mine Survey" wird vom jemenitischen Nationalen Komitee für Minenräumung (NDC) und vom UN-Büro für Projektservice (UNOPS) getragen. Entwickelt wurde das Programm vom "UN Mine Action Service" (UNMAS) und dem Genfer Internationalen Zentrum für humanitäre Minenräumung (GICHD). Ziel des Projekts ist es, einen kompletten Überblick über die Belastung durch Landminen zu bekommen. Dazu werden für jeden einzelnen Distrikt und für fast 1 200 Dörfer, Städte und Gemeinden in den 18 Provinzen Jemens eigene Verzeichnisse und Pläne erstellt. Dabei geht es nicht nur darum, Minenfelder zu katalogisieren, sondern auch ihre Auswirkungen auf Landwirtschaft, Ressourcen und Bevölkerung erstmals verlässlich zu quantifizieren. Die so gewonnenen Daten können dann in anderen stark verminten Ländern angewendet werden und erlauben es auch, Fachleute aus der Bevölkerung vor Ort im Umgang und in der Entschärfung auszubilden, was die Minenräumung stark beschleunigen sollte. "Minenfelder in der Nähe bevölkerter Gebiete haben über ihren eigentlichen Zerstörungseffekt hinaus verheerende wirtschaftliche Auswirkungen", bestätigt Phill Lewis, Leiter des UN-Minenräumungsprogramms für Jemen. Sie blockierten Agrarland und Wasservorkommen und machten die Nutzung von Weideland unmöglich. Bis zu zwei Millionen Minen aller Art sind nach Schätzungen von Experten in den letzten 40 Jahren in Jemen im Boden vergraben. Zuletzt kamen 1994 noch einmal mindestens 300 000 Stück hinzu, als Südjemen unter dem damaligen Vizepräsidenten Ali Salem Albiydh versuchte, sich selbständig zu machen. Rund um die südjemenitische Hauptstadt Aden und in drei südlichen Provinzen - Lahj, Abyan und Hadramout - wurden neue Minenfelder angelegt. Vor allem um Aden entstand ein Gebiet, das von den Bewohnern wegen seiner Form als "Halbmond des Todes" bezeichnet wird. Damit sollten die Streitkräfte des Nordens an einer Besetzung Adens gehindert werden. Dabei wurden 1994 nach Angaben von Oberst Saeed Alshaibani, dem Chef des nationalen jemenitischen Minenräumungsprogramms, insgesamt 95 Minenfelder mit Sprengsätzen aller Art angelegt, angefangen von Anti-Personen-Minen bis hin zu schweren Panzerminen. Bis zu 5 000 Menschen, so schätzen Hilfs- und Nichtregierungsorganisationen (NGOs), sind seitdem durch die Sprengfallen getötet oder verstümmelt worden. Die jemenitische Armee hatte schon 1995 mit der Minenräumung begonnen. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Sanaa wurden seitdem 56 000 Minen geräumt, bei früheren Aktionen in den Jahrzehnten zuvor noch einmal 20 000. Untersuchungen der UN zufolge bleibt die Räumung jedoch aufgrund fehlender Kontrolle und schlechter Ausrüstung weit hinter internationalem Standards zurück. Auf jedem Minenfeld, das von der Armee als geräumt gelistet wurde, finden sich im Schnitt noch immer 20 Sprengsätze. Im Vorfeld des "Level One Land Mine Survey" wurde deshalb schon 1998 ein internationales Räumungsprogramm organisiert. Mit Finanzierung des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) und anderer internationaler Geber konnte die Räumung Anfang 1999 beginnen. Seitdem wurden in Zusammenarbeit mit Experten aus den USA und der UN rund 5 400 Minen aus dem Boden geholt und weitere 5 050 gelagerte Sprengsätze vernichtet. Bis Ende 2001, so sieht es das Programm vor, sollen auch die restlichen noch in Jemen gelagerten 55 000 Landminen entsorgt sein. Die Regierung in Sanaa hat als eines von drei nahöstlichen Ländern neben Jordanien und Katar bereits angekündigt, dem internationalen Landminenverbot beitreten zu wollen, das nicht nur den Einsatz, sondern auch die Produktion und Lagerung der gefährlichen Sprengfallen untersagt. |