Die Welt, 13.7.2000 Schily provoziert rot-grünen Asyl-Streit Innenminister stellt sich gegen die Regierungsparteien, die nur über "Einwanderungspolitik" reden wollen Von Armin Fuhrer Berlin - Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission zum Thema Einwanderung wird nach einer Ankündigung von Bundesinnenminister Otto Schily auch über das Asylrecht diskutieren. "Es lässt sich nicht übersehen, dass wir eine De-facto-Verknüpfung zwischen Zuwanderung und Asylverfahren haben", sagte Schily am Mittwoch bei der Vorstellung der 21köpfigen Kommission. Zwar stehe außer Frage, dass humanitäre Hilfeleistungen für Flüchtlinge nicht angetastet würden. Aber das Asylrecht werde von einem großen Teil der Asylbewerber dazu genutzt, wenigstens eine Zeit lang in Deutschland bleiben zu können, ohne einen Asylgrund zu haben, sagte der Innenminister. Mit seinen Äußerungen stellte Schily sich offen gegen die Regierungsparteien. Sowohl Vertreter von SPD als auch von den Grünen hatten mehrfach deutlich gemacht, dass sie gegen jegliche Verknüpfung von Einwanderungs- und Asylrechtsfrage sind. Noch vor wenigen Tagen hatte SPD-Generalsekretär Franz Müntefering in einem WELT-Gespräch klargestellt: "Wir reden nicht über das Thema Asyl, das ist geklärt, sondern über die Wanderungsfrage. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun." Neben den bisher bereits als Mitglieder bekannten früheren Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU), dem Ex-SPD-Vorsitzenden Hans-Jochen Vogel und der früheren Ausländerbeauftragten Cornelia Schmalz-Jacobsen werden in der Kommission 18 weitere Persönlichkeiten verschiedener Verbände, der Kirchen, Gewerkschaften, Kommunen sowie Wissenschaftler mitarbeiten. Dazu gehören der Präses der Synode der Evangelischen Kirche, Jürgen Schmude, der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Horst Eylmann, die Professoren Kay Hailbronner (Universität Konstanz) sowie Rainer Münz (Humboldt-Universität Berlin), BDI-Chef Hans-Olaf Henkel für die Arbeitgeber, der DAG-Vorsitzende Roland Issen für die Gewerkschaften, Paul Spiegel vom Zentralrat der Juden sowie die Bischöfe Josef Voß und Karl-Ludwig Kohlwage als Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche. Schily berichtete, es habe ein großes Interesse an der Mitarbeit gegeben. Vertreter von Organisationen, die nicht berücksichtigt werden konnten, sollen von der Kommission gehört werden. Dazu gehören auch Vertreter der in Deutschland lebenden Ausländer. Nicht durchsetzen konnten sich die Grünen, die ihren innenpolitischen Sprecher Cem Özdemir in die Kommission entsenden wollten. Dies hatte Schily mit der Begründung abgelehnt, Özdemir sei aktiver Parteipolitiker. Für die Grünen sitzt nun der Vorsitzende der Heinrich-Böll-Stiftung, Ralf Fücks, in der Kommission. Auch das hat intern indes zu Kritik geführt, weil Fücks der Lebenspartner der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, Marieluise Beck, ist. Schily widersprach dem Vorwurf der Union, die Bundesregierung setze die Kommission nur ein, um das Thema Einwanderungsgesetz auf die lange Bank zu schieben. Die Kommission werde in etwa einem Jahr ihre Vorschläge unterbreiten. Über die Konsequenzen entschieden dann Bundesregierung und Parlament. Kritisch kommentierte Schily Äußerungen von Özdemir in der WELT. Er hatte die Vorgehensweise des Ministers bei der Kommission kritisiert und seine Ansicht dargelegt, sie werde gleichberechtigt von Schily und Beck berufen. Dazu sagte der Innenminister: "Diese Kommission wird von mir eingesetzt." Die Unstimmigkeiten hatten dazu geführt, dass die Vorstellung der Kommission zunächst am Dienstag kurzfristig auf Ende Juli verschoben und dann doch wieder auf den gestrigen Mittwoch festgelegt worden war. Schily wies zudem die Kritik von Cornelia Schmalz-Jacobsen an der Vorsitzenden Rita Süssmuth zurück. Die FDP-Politikerin hatte in der WELT gesagt, Süssmuth sei bislang nicht als Expertin in Sachen Einwanderung aufgetreten.
|