HANDELSBLATT, Donnerstag, 13. Juli 2000 EU stellt Beziehungen mit Türkei auf neue Ebene Reuters KAYSERI. EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen hat die Fortschritte der Türkei in ihrem Beitrittsprozess zur Europäischen Union (EU) begrüßt. Die EU habe ihre Beziehung mit der Türkei seit dem EU-Gipfel in Helsinki auf eine neue Ebene gestellt und man sei zufrieden über die seither erzielten Fortschritte, sagte Verheugen am Donnerstag nach einem Treffen mit dem türkischen Außenminister Ismail Cem in Kayseri. Im Dezember hatte die Türkei den Status eines EU-Beitrittskandidaten erhalten. Beitrittsverhandlungen wie mit anderen zwölf Kandidatenländern nahm die EU mit der Türkei jedoch noch nicht auf. Im Frühjahr hatte sie die Türkei aufgefordert, ihre Reformen zu beschleunigen. Die Türkei hofft, bis zum Jahr 2004 die EU-Beitrittskriterien zu erfüllen. Beobachter schätzen jedoch, dass dies erst in weiteren zehn Jahren der Fall sein werde. Haupthindernisse sind bislang die EU-Kriterien für Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Auch die Todesstrafe sowie der Schutz von Minderheiten und dabei besonders das Kurden-Problem haben die Annäherung der Türkei zur EU gebremst. Rund 15 Jahre lang haben die Kurden sich heftige Gefechte mit dem türkischen Militär geliefert. In ihrem Kampf um einen eigenen Staat im Südosten des Landes kamen etwa 30 000 Menschen ums Leben. Die türkische Verfassung von 1982, an deren Ausarbeitung das Militär maßgeblich beteiligt war, verbietet Ausbildung und Fernsehen auf Kurdisch. Die EU fordert ein Ende dieser Verbote. Auf die Frage von Journalisten, ob die Kurden-Frage den EU-Betritt der Türkei verzögere, sagte Verheugen: "Minderheitenrechte sind nicht unsere Hauptsorge." Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in der zentraltürksichen Stadt räumte Cem ein, sein Land habe in einigen Bereichen Nachholbedarf. Einzelheiten nannte Cem nicht. Die griechische Regierung teilte am Donnerstag mit, der Vormarsch türkischer Truppen auf der geteilten Mittelmeerinsel Zypern schade den EU-Beitritts-Bemühungen der Türkei. Ein Sprecher des griechischen Außenministeriums sagte, der Vorfall werde Thema auf künftigen EU-Treffen sein. Er dürfe aber nicht die vergangene Woche begonnenen Zypern-Gespräche belasten. Türkische Truppen hatten kurz vor Beginn der von den Vereinten Nationen geleiteten Gespräche in der Pufferzone einen Kontrollpunkt in die Nähe eines griechischen Dorfes vorgeschoben. Zypern ist seit dem Einmarsch türkischer Truppen im nördlichen Drittel 1974 geteilt. Anlass für die Invasion war ein Putsch griechischer Nationalisten auf Zypern, der von der damaligen Militärjunta in Athen unterstützt wurde. International anerkannt als Vertretung ganz Zyperns ist heute nur die Regierung der griechischen Zyprer.
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