WEB.de 16.07.2000 19:24

Druck auf Teilnehmer des Nahost-Friedensgipfels wächst - Abendmeldung


Israelische Minister sehen keinen Durchbruch in Camp David - Palästinensische Quellen melden Fortschritte

Thurmont (AP)

Der Druck auf die Teilnehmer des Nahost-Gipfels in Camp David wächst. Drei Tage vor der geplanten Abreise von US-Präsident Bill Clinton zum G-8-Gipfel in Japan intensivierten Israelis und Palästinenser am Sonntag ihre Verhandlungen. Die Angaben zum Stand der Friedensgespräche waren indes widersprüchlich. Während palästinensische Quellen Fortschritte meldeten, sahen ranghohe israelische Vertreter noch keinen Durchbruch. Nach Angaben des israelischen Justizministers Jossi Beilin sind beide Seiten an einem schwierigen Punkt angelangt.

Der Sprecher des Weißen Hauses, Joe Lockhart, beschrieb die Atmosphäre der vergangenen Tage am Sonntag als «zeitweise gespannt». Angesichts des Zeitplans seien nun verstärkte Anstrengungen nötig. Zwar betonten Vertreter der USA, die Abreise Clintons am Mittwoch sei nicht als Ultimatum für eine Einigung anzusehen. Doch Clintons Sprecher P.J. Crowley bekräftigte: «Es ist noch immer unser Wunsch, dass ein Abkommen vorliegt, bevor der Präsident nach Tokio abreist.»

Nach Ansicht Beilins, der 1993 maßgeblich an der Ausarbeitung des Friedensabkommens von Oslo beteiligt war, benötigen beide Seiten aber deutlich mehr Zeit, um sich in den strittigen Fragen näher zu kommen. Dazu gehören der Status von Jerusalem, die Grenzen eines künftigen Staates Palästina und das Schicksal von mehr als zwei Millionen palästinensischen Flüchtlingen.

Auch der israelische Außenminister David Levi zeigte sich am Wochenende pessimistisch. «Ich bin beunruhigt», sagte Levi nach einem Telefonat mit dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak. «Die Situation dort (in Camp David) ist bei weitem nicht einfach, und es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Standpunkte sich annähern.» Noch am Samstag soll der palästinensische Präsident Jassir Arafat israelischen Medienberichten zufolge sogar mit seiner Abreise gedroht haben. Dagegen meldeten Vertreter aus Kreisen der palästinensischen Delegation Fortschritte bei den Gesprächen, ohne diese jedoch näher zu benennen.

Ausschreitungen im Westjordanland

(Jerusalem) Belastet wurden die Verhandlungen am Wochenende von Protesten und Ausschreitungen im Westjordanland. Am Sonntag besetzten jüdische Siedler einen Hügel in der Nähe der Siedlung Efrat, rund 20 Kilometer südlich von Jerusalem. Sie wollten Barak damit nach eigenen Aussagen die Nachricht übermitteln, dass sie sich nicht kampflos mit einer Übergabe von Teilen des Westjordanlands an die Palästinenser einverstanden erklären würden. Polizisten und Soldaten lösten die Demonstration auf und verhafteten zwei Personen.

Am Sonntagabend protestierten zehntausende rechtsgerichteter Israelis auf dem Rabin-Platz in Tel Aviv gegen die Friedensgespräche in Camp David und mögliche Zugeständnisse Baraks an die Palästinenser. In Nablus im nördlichen Westjordanland demonstrierten umgekehrt etwa 1.000 Palästinenser gegen Kompromisse mit Israel.

In Hebron bewarfen sich am Samstag jüdische Siedler und Palästinenser mit Steinen und Flaschen. Israelische Soldaten schritten ein und versuchten, beide Seiten voneinander zu trennen. Dabei wurden elf Palästinenser und ein israelischer Soldat verletzt, rund ein Dutzend Fahrzeuge wurden beschädigt. Über den Anlass für die Ausschreitungen gab es unterschiedliche Versionen. Nach palästinensischer Darstellung beschuldigten die Siedler die Palästinenser, die Sabbatruhe gestört zu haben. Die Siedler sagten dagegen, ein Palästinenser habe ein jüdisches Mädchen belästigt.