taz 17.7.2000 Erst Gebäude, dann die Demokratie Nach dem Brandanschlag auf das Ludwigshafener Asylbewerberheim gibt es Hinweise auf die rechte Szene. Nicht nur in Rheinland-Pfalz vernetzen sich Neonazis zunehmend via Internet. Verfassungsschützer warnen vor Rechtsterrorismus aus Frankfurt HEIDE PLATEN Von "Glück" mochte der diensthabende Ludwigshafener Polizeiführer Matthias Hagenbuch gestern Vormittag nicht sprechen. Der Brandanschlag auf das Asylbewerberheim in der Nacht zum Sonntag im Stadtteil Ludwigshafen-Oppau sei noch einigermaßen glimpflich ausgegangen. Die Feuerwehr und die 30 Heimbewohner konnten den Molotowcocktail, der ein elfjähriges Mädchen schwer und zwei weitere Kinder leicht verletzte, löschen. Noch bevor dieser auf die Nachbargebäude übergriff. Doch die rheinland-pfälzische Polizei reagierte sofort und leitete noch in der Nacht eine Großfahndung ein, bei der auch eine Staffel Suchhunde eingesetzt wurde. Von den Tätern, die sich um 1.39 Uhr von der Rückseite des Gebäudes angeschlichen hatten, fehlt jedoch trotz zahlreicher Personenkontrollen bisher jede Spur. Einen ausländerfeindlichen Hintergrund schloss Polizeiführer Hagenbuch zwar nicht aus, wollte ihn aber auch nicht bestätigen. Konkrete Hinweise auf die seit Jahren in Ludwigshafen und Mannheim besonders aktive Neonazi-Szene gebe es nicht: "Wir ermitteln in allen Richtungen." Einer der letzten Vorfälle, die Schändung des jüdischen Friedhofs in Worms, hatte die Landtagsfraktion der Grünen erst Anfang des Monats zu einer Großen Anfrage an die Landesregierung veranlasst. Sie bezog sich auf eine Serie von Gewalttaten, die vor allem darauf abgezielt hatte, die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen. Auf Volks- und Weinfesten waren wiederholt Skinheads aufmarschiert, die pöbelten und auf Besucher einprügelten. Übergriffe, die man bisher nur von ostdeutschen Ferienorten und Campingplätzen kannte. Betroffen von den Aktivitäten waren neben Ludwigshafen und Mannheim auch Worms, Landau und Zweibrücken, das der Landesverfassungsschutz inzwischen zu den "Schwerpunkten der rechtsextremistischen Skinheadszene" zählt. Auftrieb hatte die rechte Szene auch dadurch erhalten, dass ihre gewalttätigen Aktionen kaum juristische Konsequenzen hatten - so die Sprengung eines Weinfestes im Juni in Mainz. Mittlerweile hat auch der Bundesverfassungsschutz Hinweise, dass die Neonazis ihre Angriffe länderübergreifend organisieren und Termine auf Konzerten und via Internet verbreiten. Präsident Heinz Fromm warnte am Wochenende vor einer Eskalation der Gewalt. Die Bereitschaft zum Rechtsterrorismus in der Bundesrepublik steige. Nicht nur bei Einzelnen, sondern auch bei organisierten Gruppen hätten die Ermittler Waffen beschlagnahmt. Bisher, so der Verfassungsschützer, fehle jedoch auch den vernetzten Gruppierungen noch Klarheit über die politischen Ziele. Dass diese sich jetzt gegen das Ludwigshafener Asylbewerberheim, in dem vor allem Kosovo-Albaner leben, gerichtet haben könnte, wäre nicht überraschend. Rechte Hetzschriften forderten aber immer wieder dazu auf, gegen die "Überfremdung unserer Heimat" und gegen Linke und sonstige Gegner gezielt vorzugehen. Der Präsident des Zentralrates der Juden, Paul Spiegel, sagte am Wochenende, ihn erinnere die zunehmende Gewaltbereitschaft "an die Weimarer Republik". Die Skinhead-Musik sei zum "Köder" für die Jugendlichen geworden und das Internet zum "Tummelplatz für Rechtsextreme und Neonazis". Dagegen müsse länderübergreifend vorgegangen werden: "Heute richtet sich die Gewalt gegen Ausländer, morgen gegen Behinderte, übermorgen gegen sexuelle Minderheiten, schließlich gegen die gesamte freiheitlich demokratische Gesellschaft."
|