Frankfurter Rundschau, 18.7.2000 Baschar al-Assad kündigt Reformen an Neuer syrischer Staatschef bekräftigt bei Amtsantritt Anspruch auf Golan-Höhen Baschar al-Assad, der Sohn des verstorbenen syrischen Staatschefs Hafis al-Assad, ist als neuer Präsident des Landes vereidigt worden. In seiner Rede vor dem Parlament rief er sein Land zu Reformen, zur Öffnung und zum Kampf gegen Bürokratie und Korruption auf. Die Bildung einer Demokratie nach westlichen Vorbild lehnte er ab. Zudem forderte der 34-Jährige von Israel die Rückgabe der Golan-Höhen. DAMASKUS, 17. Juli (dpa/rtr/afp/ap). In seiner Antrittsrede erklärte Assad, Veränderungen in der Wirtschaft des Landes seien erforderlich, um die Wettbewerbsfähigkeit der Staatsunternehmen zu erhöhen und das Ungleichgewicht zwischen Import und Export abzubauen. Die Wirtschaft müsse reformiert werden, damit sie in der neuen Weltordnung ihren Platz einnehmen könne, sagte Assad am Montag vor dem Parlament, wo er zuvor den Amtseid abgelegt hatte. Assad begann damit offiziell seine siebenjährige Amtszeit. Die Gesetze müssten der Lage angepasst und bürokratische Hürden überwunden werden. Die Privatwirtschaft müsse gestärkt werden. Den Syrern versprach er, den Lebensstandard zu erhöhen, die Lebenshaltungskosten zu senken und Gerechtigkeit für jeden Bürger durchzusetzen. Die Bildung einer Demokratie nach westlichem Vorbild schloss Assad als "unmöglich" aus. Syrien brauche eine "speziell syrische Demokratie", die in der Geschichte verwurzelt sei und die syrische Gesellschaftsordnung respektiere. Vor den 249 Abgeordneten des Parlaments bekannte sich Assad zur Presse- und Meinungsfreiheit. Zugleich verlangte er, dass Kritik positiv und ehrlich sein müsse. Baschar al-Assad bekräftigte die Forderung nach Rückgabe der Golan-Höhen. Syrien strebe nach Frieden mit Israel, werde aber keine Handbreit seines Territoriums aufgeben. Die USA rief er auf, aufrichtig zwischen Israel und Syrien zu vermitteln. Israel und Syrien haben bereits mehrfach Anlauf zu Friedensverhandlungen genommen. Sie scheiterten bislang immer wieder am Streitpunkt der Golan-Höhen, die Israel 1967 von Syrien eroberte. Ebenso wie sein Vater Hafis al-Assad zeigt Baschar in dieser Frage keine Kompromissbereitschaft. Israel will an den Golan-Höhen zumindest so viel Land behalten, dass es allein Zugang zum See Genezareth hat. Er ist das größte Süßwasser-Reservoir der Region, die an immer größerem Wassermangel leidet. Assad war am 10. Juli bei einem Referendum mit 97,29 Prozent als Präsident bestätigt worden. Zuvor hatte ihn ein Parteitag der regierenden Baath-Partei zu ihrem Generalsekretär gewählt. Um Assads Sohn nach dem Tode seines Vaters den Weg an die Spitze des Staates zu ebnen, hatte das syrische Parlament das Mindestalter für das Präsidenten-Amt von 40 auf 34 Jahre herabgesetzt. Hafis al-Assad war nach knapp 30-jähriger Regierungszeit am 10. Juni an Herzversagen verstorben. Baschar al-Assad ist ausgebildeter Augenarzt und Absolvent einer Militärakademie. Er ist das 16. Staatsoberhaupt des Landes. Die Abgeordneten feierten den neuen Staatschef mit lang anhaltendem Beifall und Treueschwüren. Auch vor dem Parlamentsgebäude hatten sich Hunderte von Sympathisanten versammelt.
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