Frankfurter Rundschau 19.07.2000 Der große Land-Deal Kein israelisch-palästinensischer Frieden ohne Grenzziehung Von Inge Günther (Jerusalem) Die Gründung eines Staates Palästina hält inzwischen auch die israelische Mehrheit für unvermeidlich. In friedlicher Ko-Existenz mit Israel wird der aber nur bestehen, wenn sich beide Seiten bei den Verhandlungen in Camp David über eine endgültige Grenzziehung einigen können. Es geht um Land. Um besetztes, völkerrechtswidrig beschlagnahmtes und bebautes Land. Als Israel 1967 die Westbank und den Gazastreifen eroberte, sahen die Kriegsherrn die palästinensischen Gebiete vor allem als Verhandlungsmasse für einen künftigen Frieden mit der arabischen Welt. Aber schon in den 70er Jahren wurde, teils protegiert von der Arbeitspartei, mit einer jüdischen Besiedlung begonnen. Zwei Komponenten spielten dabei eine Rolle. Zum einen der ideologische, nationalreligiös-motivierte Anspruch auf "Groß-Israel", das Judäa und Samaria, das biblische Stammland, umfassen müsse. Zum anderen die strategische Überlegung etwa der früheren Generäle und späteren Regierungsmitglieder Yitzhak Rabin und Yigal Allon, mittels Siedlungsposten die besetzten Territorien effektiver kontrollieren zu können. Alsbald entwickelte sich die Siedlervorhut zu einem Großunternehmen. Vom Militär geschützt und gelockt durch staatliche finanzielle Anreize wuchs die jüdische Bevölkerung in Westbank und selbst in den Kolonien des Elendsstreifens von Gaza rapide. Bereits 1993, zum Zeitpunkt des ersten Osloer Abkommens zwischen Israelis und Palästinensern, wurde die Siedlerschaft auf rund 120 000 beziffert. Auch deshalb soll sich PLO-Chef Yassir Arafat zu Verhandlungen entschieden haben: als Weg, um die Landnahme zu stoppen. Denn selbst in den Jahren der Intifada-Unruhen waren die Siedlerzahlen weiter gewachsen. Doch trotz Einzugs der palästinensischen Selbstverwaltung setzte Israel den Siedlungsausbau - deklariert als "natürliches Wachstum" - fort. Vor allem die in den 90er Jahren zum Schutz der Siedler planierten Umgehungsstraßen erwiesen sich als wahre Landfresser. Sie brachten den Palästinensern nicht nur zusätzliche Konfiszierung ihres Bodens, sondern erschweren eine Verbindung der Autonomieinseln, die losgelöst voneinander existieren. Denn nur 40 Prozent der Westbank und 60 Prozent des Gazastreifens zählt heute zum Arafat-Land. Um in einen dauerhaften Frieden einzuwilligen, verlangen die Palästinenser aber eine hundertprozentige Rückgabe dieser Gebiete. Sie stützen sich dabei auf die UN-Resolution 242 und verweisen darauf, dass auch Ägypten die Sinai-Insel vollständig zurück erhalten hat, ebenso Libanon im Mai dieses Jahres die bis dahin von Israel besetzte "Sicherheitszone". Das Höchstangebot des israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak an Arafat beschränkt sich allerdings auf etwas mehr als 90 Prozent des Jordanwestufers plus einen Komplett-Abzug aus Gaza. Der Rest soll nach Vorschlag Baraks von Israel annektiert werden, um so rund 80 Prozent der heute insgesamt 200 000 Siedler eine Bestandsgarantie in Siedlungsblöcken nahe Jerusalems und der grünen Linie von 1967 zu sichern. Als Ausgleich könnte ein Gebietstausch - Teile der Westbank gegen Teile der Negev-Wüste - stattfinden. Arafat ist im Prinzip einverstanden. Auch hat er, heißt es, zugestimmt, einen Streifen im Jordantal an die Israelis zu leasen. Damit könnte Israel seine Kontrolle der jordanischen Grenze mittelfristig aufrecht erhalten. Nur eine einseitige Verzichtserklärung lehnt der Autonomie-Chef rigoros ab. Ohnehin würde ein auf Gaza und Westbank begrenzter Kleinstaat Palästina nur 22 Prozent des früheren britischen Mandatsgebietes umfassen. Das, so Arafat, sei Kompromiss genug.
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