web de 19.07.2000 14:11

Friedensverhandlungen auf des Messers Schneide

Israelis und Palästinenser drohen mit Abreise von Camp David - Clinton verschiebt Flug zu Weltwirtschaftsgipfel
Thurmont/Jerusalem (AP)

Die Nahost-Friedensverhandlungen in Camp David stehen auf des Messers Schneide. US-Präsident Bill Clinton verschob am Mittwoch praktisch in letzter Minute seinen Abflug zum Weltwirtschaftsgipfel in Japan, um Israelis und Palästinenser doch noch zu einer Einigung zu bewegen. Israels Ministerpräsident Ehud Barak drohte mit der Abreise aus Camp David. Es kursierten auch Gerüchte über Abreisepläne des palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat. Beide Seiten warfen sich gegenseitig vor, an der Krise in den Verhandlungen schuld zu sein.

Die Änderung der Reisepläne sei nach Ansicht Clintons im tiefsten Interesse des Friedensprozesses im Nahen Osten, erklärte Präsidentensprecher Joe Lockhart. «Es gibt intensive Diskussionen und Verhandlungen zwischen den beiden Parteien.»

Barak hat sich nach Worten seines Vertrauten Ofir Pines zur Abreise entschlossen. «Die palästinensische Autonomiebehörde ist nicht darauf vorbereitet, einfach nicht darauf vorbereitet, eine Friedensvereinbarung mit Israel zu schließen», sagte Pines, ein Abgeordneter von Baraks Arbeitspartei, am Mittwoch im israelischen Rundfunk. Es war zunächst nicht klar, ob Barak bereits konkrete Schritte zur Abreise eingeleitet hatte oder die Palästinenser lediglich unter Druck setzen wollte.

Die palästinensische Politikerin Hanan Aschrawi, die am Dienstag aus Washington zurückgekehrt war, warf Barak in einem Interview mit der Fernseh-Nachrichtenagentur APTV vor, mit «unflexiblen und eigensinnigen Positionen» nach Camp David gereist zu sein. «Es ist leicht vorherzusagen, dass er den Palästinensern die Schuld geben wird, wenn die Gespräche keine Lösung bringen», sagte sie.

Knackpunkt der Gespräche ist israelischen Rundfunkmeldungen zufolge vor allem der Streit über den künftigen Status von Jerusalem. Aus palästinensischen Delegationskreisen verlautete zwar am Dienstag, in der Frage habe es Fortschritte gegeben. Das Weiße Haus wies die Berichte jedoch zurück.

Der israelische Parlamentspräsident Avraham Burg deutete unterdessen bereits einen möglichen Kompromiss für den Fall an, dass die Zeit für ein endgültiges Abkommen zu knapp werden sollte. Der Gipfel könnte «für den Moment» mit einer Teilvereinbarung enden, die die formale Anerkennung eines palästinensischen Staates enthalten könne. Dieses Zugeständnis an Arafat könnte die Lösung anderer Fragen erleichtern. Im Gegenzug müsste Barak aber zu Hause ebenso Verhandlungserfolge vorweisen können.

Bei den Verhandlungen in Camp David geht es um den endgültigen Status von Jerusalem, die Grenzen eines künftigen palästinensischen Staates und die Rückkehr von rund zwei Millionen palästinensischer Flüchtlinge in ihre Heimat.


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