junge Welt, 21.07.2000 Zerstrittene Inspektoren Früherer UNSCOM-Mitarbeiter verneint Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak Es ist still geworden um Richard Butler, der von 1997 bis 1999 als Chef des UNO-Sonderausschusses UNSCOM die Suche nach den angeblich noch vorhandenen irakischen Massenvernichtungswaffen auf eine höchst umstrittene Weise geleitet hatte. Getreu den Anweisungen seiner US-Freunde hatte er sich auf den Standpunkt gestellt, daß nicht UNSCOM den Beweis für versteckte Waffen erbringen mußte, sondern die Iraker selbst beweisen müßten, daß sie keine Massenvernichtungswaffen und Produktionsstätten mehr hätten. Butler und sein besonders eifriger Mitarbeiter, der ehemalige Oberst im Nachrichtendienst der US-Marines, Scott Ritter, benutzen diesen Trick der umgekehrten Beweislast, um sich überall im Irak Zutritt zu erzwingen und »nach Waffen zu suchen«. Wenn die UNSCOM keine Waffen fand - was die Regel war - dann galt das nur als Beweis für die besonders perfiden Methoden der Iraker, die Inspekteure an der Nase herumzuführen. Nachdem bei der angeblichen Waffensuche Scott Ritter sogar versucht hatte, sich Zugang zum Hauptquartier des irakischen Auslandsnachrichtendienstes zu verschaffen, kam es im Frühjahr 1998 zu einem Eklat mit der Regierung in Bagdad. Kurze Zeit später wurde im UNO- Hauptquartier der Vorwurf gegen Ritter erhoben, daß er regelmäßig den israelischen Nachrichtendienst mit Informationen über den Irak beliefert habe, die er in seiner Funktion als UNO-Beauftragter gewonnen hatte. Scott Ritter verließ im August 1998 die UNSCOM, nicht ohne seinerseits seinen Chef Richard Butler zu beschuldigen, daß er die von der UNO insgeheim im Irak gesammelten Informationen an die USA weitergegeben hätte, die die US Air Force anschließend für ihre Zielplanung der anglo-amerikanischen Bombardierungen im Rahmen der Operation »Wüstenfuchs« im Dezember 1998 verwendet hätte. Wie nicht anders zu erwarten, kündigte Bagdad schließlich die Zusammenarbeit mit UNSCOM auf und warf die Waffeninspekteure aus dem Land. Diesen Rausschmiß wiederum nutzten die USA und Großbritannien als Vorwand, um wegen der angeblichen Mißachtung der UNO seit über einem Jahr einen eigenmächtigen Bombenkleinkrieg gegen Irak zu führen. Nun ist der Australier Butler wieder aus der Versenkung aufgetaucht. Er arbeitet als ausländischer Diplomat im Rat für Internationale Beziehungen in New York, der von der US- Regierung gesponsert wird. Offensichtlich hat es trotz der versprochenen amerikanische Unterstützung für den Job als australischer Botschafter in Washington nicht gereicht. In einem Artikel in der »Washington Post« vom Mittwoch meldete sich Butler zu Wort, wobei er mit besonderer Schärfe seinen ehemaligen UNSCOM-Helfer Scott Ritter angreift, Saddam Hussein der Aufrüstung mit Massenvernichtungswaffen beschuldigt und vor einer Aufweichung des Embargos gegen den Irak warnt. In der Zwischenzeit hat sich der ehemalige Waffeninspekteur Ritter auf wundersame Weise von einem kriegerischen Saulus zu einem friedfertigen Paulus gewandelt, der bei einer Anhörung vor dem US-Kongreß im Juni die Aufhebung des Embargos forderte, weil das »tagtäglich für eine schlimme humanitäre Katastrophe« im Irak verantwortlich sei. Auch gäbe es keine Gründe mehr für die Beibehaltung der Sanktionen, denn - so bezeugte er vor dem Kongreß in Washington - »Fakt ist, der Irak besitzt keine Massenvernichtungswaffen mehr«. Wolf Reinhard
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