Süddeutsche Zeitung 22.7.2000 Während der Friedensverhandlungen in Camp David Israelischer Minister bricht Tabu zu Jerusalem Chef des Justizressorts: Vorstellung von einer ungeteilten Hauptstadt ist ein Mythos Thurmont (dpa/AFP/Reuters) Im Rahmen der Nahost-Friedensgespräche in Camp David hat es wegen einer angeblichen Einigung über den künftigen Status von Jerusalem Verwirrung gegeben. Ein Berater des israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak dementierte Meldungen des israelischen Rundfunks, Barak habe in Camp David einen amerikanischen Kompromissvorschlag zu Jerusalem akzeptiert. Eldad Janiv, der Barak bei den Verhandlungen in Camp David mit Palästinenser-Präsident Jassir Arafat berät, sagte Radio Israel, der israelische Premier habe keinen solchen Vorschlag akzeptiert oder mit der anderen Seite diskutiert. Es gebe keine Übereinkunft in der Jerusalem-Frage. Alles andere seien Pressespekulationen. Der israelische Rundfunk hatte zuvor den Minister für Diaspora-Fragen, Michael Melchior, mit den Worten zitiert: Der Ministerpräsident hat dem Vorschlag zugestimmt. Der Vorschlag sehe vor, die Hoheitsrechte in Teilen des arabischen Ost-Jerusalem mit den Palästinensern zu teilen, sagte Melchior. Der Vorschlag liege definitiv noch in Baraks Verhandlungsspielraum. Außerdem beinhalte der Vorschlag, jüdische Siedlungen im Westjordanland nach Jerusalem einzugemeinden. Dies gelte auch für die größte Siedlung Maale Adumim. Palästinensische Viertel außerhalb der Altstadt von Ost-Jerusalem könnten unterdessen von Israel und den Palästinensern gemeinsam kontrolliert werden, was möglicherweise auch geteilte Hoheitsrechte in diesen Gebieten umfasse. Der israelische Justizminister Beilin stellte in der Tageszeitung Jediot Achronot erstmals die Unteilbarkeit Jerusalems in Frage. Die Vorstellung von Jerusalem als ungeteilter Hauptstadt sei ein Mythos. Noch nie seit der Annexion Ost-Jerusalems durch Israel 1967 tastete ein israelisches Regierungsmitglied das Tabu von Jerusalem als unteilbarer Hauptstadt Israels an. 1949 hatte Israel Jerusalem zu seiner Hauptstadt erklärt und nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 auch den Ostteil annektiert, was international nie anerkannt wurde. Die Palästinenser beanspruchen den Ostteil als Hauptstadt ihres zukünftigen Staates. US-Außenministerin Madeleine Albright setzte unterdessen in Camp David die amerikanischen Friedensbemühungen fort. Geplant waren weitere Gespräche mit Barak und Arafat. Albrights Sprecher Richard Boucher versicherte, das Ringen um eine Einigung gehe während der Abwesenheit von US-Präsident Bill Clinton in unverminderter Intensität weiter. Clinton war am frühen Donnerstagmorgen zum G-8-Gipfeltreffen nach Japan gereist. Barak und Arafat hatten sich überraschend bereit erklärt, die bereits für gescheitert erklärten Gipfelgespräche über ein Friedensabkommen unter Albrights Vermittlung fortzusetzen. Clinton deutete unterdessen eine etwas frühere Abreise aus Japan an, um bei den Gesprächen in Camp David weiter zu vermitteln. Eine endgültige Entscheidung solle am heutigen Samstag fallen, teilte das Weiße Haus mit.
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