junge Welt, 24.07.2000 Hungerstreik gegen Isolationshaft in der Türkei Auch am heutigen Montag führt die kurdisch-türkische »Föderation für demokratische Rechte in Deutschland« (ADHF) auf dem Berliner Alexanderplatz ihren Hungerstreik fort. Bereits seit einer Woche protestieren die knapp 20 Personen damit gegen die fatalen Haftbedingungen in der Türkei. Sie ernähren sich nur von Tee und leben während des Streiks in einem Zelt mitten auf dem Alex. Parallel läuft der Protest zudem in Hamburg und anderen Städten. 4 000 Unterschriften hat die Gruppe bisher während ihrer Aktion gesammelt. Die will sie an die deutsche Regierung, das türkische Parlament und an amnesty international weiterleiten. Denn viele Länder tragen eine Mitschuld an der Unterdrückung in der Türkei. So lieferte Deutschland nach Angaben der »Föderation« in den letzten Jahren Waffen im Wert von 1,8 Milliarden DM in die Türkei. Geostrategisch sei das Gebiet der Türkei für die Militärs so wichtig, daß kein NATO-Land der Türkei im Zusammenhang mit Militärhilfen ernsthaft Auflagen erteilen würde, um die Situation dort für die Menschen zu verbessern. Die Bundesregierung trägt eine besondere Verantwortung für die Verschärfung der Haftbedingungen in der Türkei, denn sie hat nach Angaben der »Föderation« den Export eines neuen Typs von Isolationszellen ermöglicht. Diese Typ-F-Gefängnisse trugen maßgeblich zur Einführung des Isolationshaftsystem in der Türkei bei. In der Bundesrepublik wurden erste Erfahrungen mit diesen Zellen bei der Inhaftierung von RAF-Aktivisten gesammelt. In der Türkei wurden ähnliche Anstalten für die politischen Gefangenen 1996 eingeführt. Die türkische Regierung bezweckt mit der Isolationshaft, die Inhaftierten psychisch zu brechen. Ankara baute bislang 3 000 Zellen des Typ F, 10 000 weitere sind geplant. In diesen Gefängnissen ist alles in Weiß gehalten - Zellenwände, Häftlingskleidung. Das Licht ist ständig angeschaltet, um die Insassen in den Wahnsinn zu treiben. Außerdem werden Häftlinge nach Erkenntnissen der »Föderation« gefoltert und vergewaltigt, ja ermordet. Wer die Folter überlebte, leidet noch heute an den Folgen der Mißhandlungen. Viele der Inhaftierten traten 1996 aus Protest in Hungerstreik. Zwölf Gefangene kamen damals ums Leben. Erst am 6. Juli waren 18 Inhaftierte im Gefängnis Burdur attackiert worden. Polizei und Spezialeinheiten stürmten das Gefängnis und setzten die Zellen in Brand. Zwei Gefangene erlitten dabei schwere Verbrennungen im Gesicht. Einer verlor durch eine Rauchbombe einen Arm, ein anderer seine Hand. Mehrere Personen wurden vergewaltigt und mißhandelt. Grund genug, daß Gefängnisse des Typ F von Juristen, Menschenrechtsorganisationen und von Medizinern in der Türkei als »Massensarg« bezeichnet werden. Viele Journalisten, Schriftsteller und Künstler engagieren sich gegen die Isolationshaft. Zur Folge hat dies allerdings oft, daß sie selbst Opfer des Staates werden. So erging es Mitgliedern einer Gruppe, die zur »Demokratische Plattform« gehört. Von ihnen sitzen jetzt selbst 26 in Haft. Marlies Witte *** Dienstag zwischen 11 und 12 Uhr Demo vom Adenauerplatz zur türkischen Botschaft in Berlin
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