Kölner Stadt-Anzeiger, 24.07.2000 Die dänische "Heiratsindustrie" Von Hannes Gamillscheg Eine dänische Trauungsurkunde ist oft der schnellste Weg zu einem Bleiberecht in Deutschland oder einem anderen EU-Land. Voraussetzung ist allerdings, dass die Visaregeln eingehalten wurden. Es ist einfach, unkontrolliert über die deutsch-dänische Grenze zu kommen. Doch wenn die Brautleute dann auf dem Rathaus Pässe ohne die nötigen Stempel vorlegen, schaltet sich die Fremdenpolizei ein und schickt sie zurück. Dann können sie beim dänischen Konsulat in Flensburg ihren Visumsantrag stellen, was die Sache, wie Thaysen trocken bemerkt, "erheblich verteuert, wenn man sich eine Frau nur für einen bestimmten Zeitraum gekauft hat". Und für Bürger aus so genannt "flüchtlingsproduzierenden Ländern" ist selbst ein Touristenvisum praktisch nicht zu bekommen. Die liberalen Eheregeln haben zeitweilig zu einem Hochzeitsboom geführt, den dänische Politiker als "Heiratsindustrie" anprangerten. Vor ein paar Jahren ließen sich pakistanische Männer gleich gruppenweise mit ostdeutschen Frauen trauen, davor hatten vor allem Thailänderinnen in den dänischen Standesämtern ihre Aufenthaltsgenehmigung erheiratet. Susanne Nissen hat jedoch den Eindruck, dass die Zahl der "Scheinehen" zurückgegangen sei. "Manchmal kann man sich eines Verdachts nicht erwehren. Aber ich glaube, die meisten Hochzeiten sind reell." Auch wenn in ihrer kleinen Grenzgemeinde drei von vier Ehen von Ausländern geschlossen werden, die nie zuvor und nie nachher in Bov gewesen sind, und die meisten Eheschließungen eine Deutsche und einen Bürger eines anderen Landes betreffen. Doch das muss ja nicht heißen, dass da geschwindelt werden soll. Ist es gemischten Paaren zu verdenken, wenn sie den Verdächtigungen durch die deutschen Behörden entgehen wollen und den leichteren Weg in den Ehestand in Dänemark vorziehen? "Ganz klar" hatte Anna den Eindruck, dass man ihr in Berlin das Heiraten besonders schwer machen wollte, weil ihr Dominique aus Schwarzafrika kommt. Er steht da und sagt nicht viel. Doch er hat laut und deutlich "Ja, ich will" geantwortet, als die Standesbeamtin ihn fragte, ob er Anna zur Gattin wünsche, und er hat Ringe gekauft, die sie einander überstreiften, und sie dann geküsst, zärtlich und innig auf den Mund. Eine Liebesheirat? Die Liebe geht ihre eigenen Wege, und wer will schon definieren, was Liebe ist. Vielleicht ist es auch Liebe, wenn man dem anständigen Kerl, den man kennen gelernt hat, und der ständig Probleme mit dem Ausländeramt hat, einfach helfen will. Der sichtlich wohlsituierte Deutsche, der eine Stunde später eine viel jüngere Ungarin heiraten wird, sieht sich schließlich auch nicht dem Verdacht der Scheinehe ausgesetzt. Kurden aus Schwaben Auf dem Rathaus in Bov gehen die Trauungen zügig weiter. Jetzt sind Loma und Seyfettin dran, zwei Kurden aus dem Schwabenland. Seyfettin versteht nicht ganz, dass das alles sein muss, wo sie doch schon vor fünf Jahren geheiratet haben, bei ihm daheim. "Da kamen der Bischof und 1100 Gäste, und das Fest hat 14 000 Mark gekostet mit allem Essen und der Musik." Doch amtlich wurde diese Ehe nie anerkannt, und deshalb sitzen die beiden samt dreijährigem Sohn nun in Bov, um ihren Zivilstand "ledig" in "verheiratet" zu ändern. Das kostet, auch wenn die Gebühr von umgerechnet 130 Mark wesentlich niedriger ist als in Deutschland. Doch drei Tage im Hotel sind teuer und so gibt es keine Gäste, keine Blumen, keine Ringe und erst auf Aufforderung der Standesbeamtin einen raschen Kuss. Der Bräutigam trägt den Smoking, den er vor fünf Jahren auch schon angehabt hat, doch Loma konnte ja nicht in Schleier und weißem Brautkleid nach Dänemark reisen, und so heiratet sie diesmal in einer Trainingsjacke des lokalen Sportklubs. Seyfettin lehnt den angebotenen Umtrunk auf das junge Glück ab und der Standesbeamtin ist das nicht Unrecht. An hektischen Tagen findet von acht Uhr früh bis um halb fünf jede halbe Stunde eine Trauung statt. Da wird das Anstoßen zur Prüfung.
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