junge Welt, 26.07.2000 Wie kann Isolationshaft in Türkei verhindert werden? jW sprach mit Erol Yilmaz vom Internationalen Komitee gegen Isolationshaft (IMK) (Am heutigen Mittwoch beginnen in mehreren europäischen Ländern Protestkarawanen gegen Isolationshaft in der Türkei. Das IKM bereitete die Karawane in Deutschland vor) F: Das Internationale Komitee gegen Isolationshaft (IKM) organisiert eine Protestkarawane nach Brüssel. Wie soll die Aktion ablaufen? Wir starten am heutigen Mittwoch um 11 Uhr in Berlin auf dem Alexanderplatz. Dann fahren wir nach Hamburg, wo noch am Abend eine Demonstration stattfindet. Die nächsten Stationen sind Bielefeld, Dortmund, Düsseldorf und Köln. In Köln treffen wir mit den Karawanen aus der Schweiz, Österreich und Italien zusammen. Gemeinsam fahren wir dann nach Brüssel, wo es am Sonntag eine Demonstration zum Europaparlament geben wird. Wir wollen mit dieser Aktion auf die Situation der politischen Gefangenen in der Türkei und die demnächst drohende Einführung der Isolationstrakte aufmerksam machen. F: Wie effektiv kann eine solche Aktion mitten im »Sommerloch« sein? Ursprünglich wollten wird die Karawane Anfang September organisieren und hätten dann mehr Vorbereitungszeit gehabt. Doch die Lage in der Türkei ist sehr kritisch. Darum konnten wir nicht mehr länger warten. Auch das Parlament ist in dieser Zeit in den Ferien. Unsere Genossen befürchten, daß die Verlegung der Gefangenen in die Isolationszellen im August beginnt. F: Anfang August gab es Repressalien gegen die Gefangenen in der Stadt Burdur. Welche Bedeutung hat das für die türkische Regierung? Mit der Aktion gegen die Gefangenen wollte die türkische Regierung ein Signal setzen. Die Gefangenen sollten sehen, was mit ihnen geschieht, wenn sie sich auflehnen. Bisher fanden die Repressionen des türkischen Staates gegen Gefangene unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Wenn überhaupt, erfuhr die Presse erst davon, nachdem die Aktion beendet war. In Burdur haben alle Medien live über die neueste Entwicklung berichtet. Alle konnten sehen, wie ein Gefängnistrakt von Bulldozern zerstört oder wie einem Gefangenen der Arm abgerissen wurde. Sie wollten die übrigen Gefangenen zu Aufständen animieren, um dann mit ganzer Härte zuschlagen zu können. Doch die Gefangenen sind darauf nicht eingegangen. Die Repression gegen die Gefangenen von Burdur geht bis jetzt weiter. Sie sind in Isolationszellen gefesselt worden und werden gefoltert. F: Ist diese Art Öffentlichkeitsarbeit der türkischen Regierung nicht trotzdem eine Hilfe für die Gefangenen? Schließlich haben sich selbst staatstreue Medien über die Folter empört gezeigt. Die Reaktion der türkischen Medien kam erst im Nachhinein. Tatsächlich ist eine gewisse Sensibilisierung bei den Medien festzustellen. Doch die Wirkung darf nicht überschätzt werden. Es gibt genügend Journalisten, die die Regierungspolitik bedingungslos unterstützen. Wenn es uns nicht gelingt, die Proteste in der Bevölkerung auszuweiten, werden wir die Einführung der Isolationstrakte nicht verhindern können. Das zeigte sich auch unmittelbar nach Burdur. Eine Demonstration von bekannten Intellektuellen wurde von der türkischen Regierung verboten, ebenso eine Pressekonferenz der Menschenrechtsorganisation Tayad gegen die Isolationszellen in der letzten Woche. Daran waren bekannte Professoren beteiligt, die selbst an der türkischen Verfassung mitgearbeitet haben. F: Wie wollen Sie die Öffentlichkeit für den Kampf gegen die Isolationshaft mobilisieren? In Europa sind die Voraussetzungen dafür gut, weil es hier schon in den 70er und 80er Jahren eine breite Diskussion über Isolationshaft gab. In der Türkei beginnt diese Diskussion erst. Die Gefangenen werden sich auf jeden Fall wehren. Gibt es Unterstützung in der europäischen Öffentlichkeit, kann das Leben vieler Gefangener gerettet werden. Interview: Adrian Wendel
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