Augsburger Allgemeine, 26.07.2000 Kurde aus dem Kirchenasyl bei Spaziergang verhaftet In St. Ottilien lebt seit 1995 eine kurdische Familie St. Ottilien (ger). Der Spaziergang außerhalb der Klostermauern am 25. Juni endete verhängnisvoll: An diesem Tag lief ein kurdischer Familienvater in einem Wäldchen bei St. Ottilien einer Streife des Bundesgrenzschutzes in die Hände. Als "ausreisepflichtiger", weil nicht anerkannter Asylbewerber sitzt der Schützling der Missionsbenediktiner seither in Abschiebehaft. Außerhalb der Klosterkreise bekannt wurde dieser Fall von Kirchenasyl, der bis ins Jahr 1995 zurückreicht, erst vor wenigen Tagen, als Innenminister Günther Beckstein (CSU) die Angelegenheit beim Empfang der Landtagspresse publik machte. Das Kloster St. Ottilien, so teilte auf Anfrage Pater Jeremias Schröder mit, habe die ganzen Jahre über wegen der Sache kein Aufhebens gemacht, "weil es wichtig schien im Sinne einer erfolgreichen Durchführung des Kirchenasyls". Und so werde man es auch weiter halten. In einer offiziellen Verlautbarung von Erzabt Dr. Notker Wolf hieß es lediglich, "die Erzabtei verwendet sich weiterhin für das Schicksal der betroffenen Familie. Um Gespräche über eine humanitäre Lösung nicht zu belasten, gibt die Erzabtei zu diesem Zeitpunkt keine weitergehenden Erklärungen ab." Auch zur Entstehung des Kirchenasyls hüllen sich die offiziellen Stellen in St. Ottilien in Schweigen. Die kurdische Familie (Vater, Mutter und sechs Kinder im Alter von acht bis 16 Jahren) kam 1989 nach Deutschland und lebt seit 1995 in St. Ottilien in direkter Nachbarschaft zum Gymnasium. Der Vater arbeitete als Gärtner für die Mönche, die Kinder nehmen am Unterricht in der Klosterschule sowie in der Windacher Volksschule teil und haben so auch die deutsche Sprache erlernt. Vor dem Einzug in St. Ottilien war der Asylantrag durch alle Instanzen bis hin zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abgelehnt worden. Auch eine Landtagspetition blieb ohne Erfolg. In St. Ottilien ging man mit der Angelegenheit seit jeher sehr diskret um, sodass selbst das Innenministerium offenbar erst mit einiger Verzögerung davon erfuhr. Pressesprecher Christoph Hillenbrand sagte, Gespräche und Schreiben in dieser Sache habe es 1997 gegeben. Dann ruhte der Fall: "Man war gewissermaßen an einem Punkt angelangt, wo sich keine Lösung mehr abgezeichnet hat." Eine ganz neue Konstellation entstand jetzt am 25. Juni, als der Bundesgrenzschutz bei einem Kontrollgang an den Eisenbahnanlagen unweit des Klosters die Personalien des Kurden feststellen wollte und sich dieser nicht ausweisen konnte. Da der Mann, wie eine Rückfrage am Münchner Hauptbahnhof ergab, als "ausreisepflichtig" registriert war, wurde er für zunächst längstens drei Monate in Sicherungshaft genommen. Ausreise in ein "Drittland"? Für das Innenministerium gibt es jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder der Kurde kehrt in die Türkei zurück, wo er noch der Wehrpflicht unterliege, oder der Familie werde die Ausreise in ein "Drittland" außerhalb der Europäischen Union ermöglicht. Dies könne eventuell über die kirchliche Ebene verwirklicht werden, so Hillenbrand. Eine Lösung deute sich aber noch nicht an. "Wir sind in Kontakt, aber Klarheit habe ich noch nicht signalisiert bekommen", so Hildebrand abschließend.
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