Frankfurter Rundschau, 27.7.2000 Das "Tolerante Brandenburg" hat seine Grenzen Die Stadt Forst und das Land stellen sich gegen eine internationale Solidaritätsaktion für Flüchtlinge im Grenzgebiet zu Polen Von Heike Kleffner (Berlin) Ein geplantes "Grenzcamp" in der Stadt Forst sorgt für Krach im "Toleranten Brandenburg". Der Bürgermeister will die Solidaritätsaktion für Flüchtlinge verhindern und befürchtet "Chaostage". Das Innenministerium unterstützt ihn. Im "Toleranten Brandenburg" hat die offizielle Toleranz gegenüber Flüchtlingshilfegruppen enge Grenzen. Vom morgigen Freitag an will die bundesweite Kampagne "Kein Mensch ist illegal" in der südbrandenburgischen Kleinstadt Forst das "Grenzcamp 2000" veranstalten. Mit phantasievollen Aktionen soll die Forderung von Asylbewerbern nach menschenwürdigeren Lebensbedingungen in Brandenburg unterstützt und gegen den Umgang des Bundesgrenzschutzes mit sogenannten illegalen Grenzgängern in der deutsch-polnischen Grenzregion protestiert werden. Doch Versuche, einen Zeltplatz für die rund 800 erwarteten Teilnehmer aus Deutschland, Polen und Tschechien zu finden, scheiterten bislang am Widerstand der Stadtverwaltung. Bürgermeister Gerhard Reinfeld (CDU) erklärte, das Camp sei in der Stadt nicht willkommen. Daher würden keine städtischen Grundstücke zur Verfügung gestellt. Auch anderen Grundstückseigentümern riet er öffentlich ab, dem Camp Unterschlupf zu gewähren. "Chaostage wird es in Forst nicht geben", sagt Reinfeld. Rückendeckung erhält er aus dem Potsdamer Innenministerium. Der Bürgermeister habe "eine weise Entscheidung getroffen", hieß es dort. Die Begründung: Unter den Unterstützern des Camps seien auch "Linksextremisten", die Straftaten begehen könnten. Das Handlungskonzept "Tolerantes Brandenburg", das sich das Land 2,5 Millionen Mark jährlich kosten lässt, bedeute eben nicht, "alles zu tolerieren", sagt Pressesprecher Heiko Homburg. Unbeeindruckt zeigt man sich von der Liste prominenter Fürsprecher des Camps. Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck, und die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestags, Claudia Roth (beide Grüne), hatten an die Stadt appelliert, die Veranstaltung zu ermöglichen. Auch der brandenburgische Flüchtlingsrat kritisierte, dass die wenigen Menschen, die sich "tatsächlich für die Rechte von Flüchtlingen und Andersdenkenden und gegen rechte Gewalt einsetzen", behindert würden. "Wir kommen trotzdem", lautet die Devise bei den Veranstaltern des Camps. Roth, der PDS-Bundestagsabgeordnete Carsten Hübner sowie Vertreter von Einzelgewerkschaften haben zunächst einmal 24-stündige Kundgebungen in Forst angemeldet. "Die Diffamierungen aus dem Innenministerium zeigen, dass zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rassismus in Brandenburg offensichtlich unerwünscht ist", sagte Susanne Lang von der "Aktion Noteingang" der FR. Die "Aktion Noteingang", Träger des Aachener Friedenspreises, befürchtet, dass Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) das Camp zum Anlass nehmen wolle, von fremdenfeindlicher Gewalt in Brandenburg abzulenken und stattdessen "das Gespenst des Linksextremismus heraufzubeschwören". Kritiker des Camps verweisen darauf, dass es während des Grenzcamps im sächsischen Zittau im vergangenen Jahr 57 Anzeigen wegen Sachbeschädigung und drei Festnahmen gegeben habe. "Kein Mensch ist illegal" zieht jedoch eine andere Bilanz: Durch die Aktivitäten sei unter anderem die Schließung einer menschenunwürdigen Flüchtlingsunterkunft erreicht und denjenigen, die vor Ort für eine alternative Kultur eintreten, der Rücken gestärkt worden. Diese Unterstützung sei in Brandenburg auch bitter nötig.
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