junge Welt, 28.07.2000 »Gülcan Turgan muß bleiben« Frankfurt/Oder: Öffentliche Fürbitte für von Abschiebung bedrohte Kurdin Knapp 200 Frankfurter haben sich am Mittwoch abend im Zentrum der Oderstadt versammelt, um der Forderung nach einem Bleiberecht für die 16jährige Kurdin Gülcan Turgan Nachdruck zu verleihen und die für den heutigen Freitag abend angekündigte Abschiebung noch zu verhindern. »Wir führen Klage vor dir, Gott, daß die Gerichte der barbarischen Ausländergesetzgebung der Bundesrepublik folgen und nicht deinen Geboten. Wir klagen an vor dir, Gott, die Ausländerbehörde Frankfurt (Oder), den Oberbürgermeister Wolfgang Pohl, den Bürgermeister Detlef Heino Ewert, den Innenminister Jörg Schönbohm, den Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg, Manfred Stolpe«, so der ehemalige Pfarrer Christian Gehlsen bei seiner öffentlichen Fürbitte. Andere Redner wiesen darauf hin, daß dem Mädchen im Falle der Abschiebung in die Türkei Verhaftung, Folter und Vergewaltigung drohen. Inzwischen hat die geplante Abschiebung weit über die Region hinaus für Proteste gesorgt. Briefe von Europa- und Bundestagsabgeordneten fordern die Behörden auf, die Abschiebung auszusetzen. Alle Fraktionen der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung - mit Ausnahme von CDU und FDP - sowie der Vorsitzende der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung, Frank Ploß, setzen sich in einer gemeinsamen Erklärung für Gülcan Turgan ein. »Wir appellieren an alle Verantwortlichen in Bund und Land - gerade wegen ihrer gesetzgeberischen Zuständigkeit, in ihrer Entscheidungsfindung politische Vernunft und Menschlichkeit walten zu lassen. Wir bitten und fordern insbesonde re den Bundesinnenminister Schily und den Innenminister des Landes Brandenburg, Schönbohm, auf, in diesem konkreten Fall die getroffene Entscheidung zu überdenken«, heißt es in der Resolution. »Es sollte für Gülcan Turgan die Möglichkeit geschaffen werden, in eine sichere Zukunft zu schauen und ihr ein Leben ohne Angst und drohende Repressalien zu sichern. Wir rufen daher alle Frankfurterinnen und Frankfurter auf, sich dem Appell anzuschließen, die Abschiebung von Gülcan Turgan auszusetzen.« Daß auch die Sozialdemokraten damit zu ihrem Bürgermeister Detlef Heino Ewert auf Distanz gehen, hält Ploß für gerechtfertigt: »Wenn es um das Leben und die Unversehrtheit eines Menschen geht, dann bin ich dafür, daß wir uns für das sichere Ufer entscheiden - und das ist in diesem Falle Frankfurt (Oder). Gülcan Turgan muß bleiben.« Martin Zippendorf
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