junge Welt, 28.07.2000 Mauer um Flüchtlingsheim In Celle trennt künftig eine Mauer Flüchtlinge von Anwohnern. Zustimmung aller Parteien im Stadtrat Seit Mittwoch baut die Stadt Celle (Niedersachsen) eine Mauer um ein Flüchtlingswohnheim in der Harburger Heerstraße 3. 1,80 Meter hoch und mit Stacheldraht versehen - das und weitere »Maßnahmen« sollen das Heim künftig von der Umgebung abschotten. Erklärtes Ziel des Mauerbaus: Die Stadt will die Drogen- und Kriminalitätsszene, die sich um das Heim ausgebreitet habe, in den Griff bekommen. Außerdem sollen die Anwohner vor Belästigungen durch Lärm und Müll geschützt werden. Um zu kontrollieren, wer das Heim betritt und verläßt, soll eine Eingangsschleuse errichtet werden. Künftig sollen nur noch Bewohner Zugang zu dem Heim haben, und die Bewachung durch einen Sicherheitsdienst soll »für Ordnung im Flüchtlingswohnheim sorgen«. Sämtliche Nebeneingänge sollen geschlossen werden, auch sieht das Sicherheitskonzept den Einsatz von »elektronischen Mitteln« vor. Dieses »Maßnahmepaket zur Eindämmung der kriminellen Aktivitäten« hatte der Stadtrat schon im Februar einstimmig angenommen und 123 000 Mark zur Verfügung gestellt. Keine der im Rat vertretenen Parteien hatte an diesem Beschluß etwas zu bemängeln. Von CDU, FDP und REPs hatte man sicher nichts anderes erwartet. Doch auch SPD und Bündnisgrüne sahen diese »Maßnahme« als richtig an. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Jens Rejmann forderte in seiner Rede in der Ratssitzung am 17. Februar gar die »gebotene Härte des Gesetzes«. »Wer als Asylbewerber in diesem Lande das Gastrecht durch Straftaten mißbraucht, muß damit rechnen, ausgewiesen zu werden«, so der ausgesprochene Wunsch Rejmanns. In dem betreffenden Heim habe sich »ein nicht hinnehmbarer Zustand entwickelt«, weshalb die SPD die in der Verwaltungsvorlage vorgesehenen »Maßnahmen zur Zugangskontrolle, Aufsicht der Bewohner und den Schutz der Anwohner« unterstütze. Rejmann, der Leiter der Heimvolkshochschule Hustedt ist, einer der Kooperationspartner des von der EU geförderten Projektes »Integration contra Nationalismus«, forderte in seiner Rede zusätzlich die Verwaltung auf, alternative Standorte für die Unterbringung der Flüchtlinge zu suchen. Die FDP griff diese Idee dankbar auf. Deren Vertreter Joachim Falkenberger forderte von der Verwaltung, bis zur Sommerpause einen Alternativstandort für die Unterbringung von Asylbewerben außerhalb des Stadtgebietes ausfindig zu machen. Auch sein Antrag wurde von Stadtrat angenommen. Diesmal stimmten jedoch einige Vertreter von SPD und Grünen dagegen. So der Bündnisgrüne Bernd Zobel, der seine Zustimmung zum »Maßnahmepaket« gegenüber jW verteidigte und in der »Eingrenzung« des Heimes, in dem »Kleinkriminalität vorherrschend ist«, keine Isolierung sieht. Die Frage, ob die im Bau befindliche Mauer eine Lösung sei, beantwortete er jedoch mit Nein. »Aber wir brauchen eine gewisse Akzeptanz bei den Anwohnern. Und quer durch aller Bevölkerungsschichten hat es da ziemlich viel Streß gegeben«, so Zobel. Die »Klientel« der Bewohner hätte sich dort sehr verändert, es wären alles junge Männer, die keine Asylberwerberverfahren hätten, also »hoffnungslose Fälle«. Die Kriminalität und Drogen wären nicht von der Hand zu weisen. »Ich bin nicht dafür, daß wir denen einen Freibrief geben. Ich kenne die Schwierigkeit der Klientel, die da ist. Das rechtfertigt aber nicht, daß sie sich in einem rechtsfreien Raum bewegen.« Im Wohnheim leben zirka 60 Menschen aus 15 Nationen - hauptsächlich Flüchtlinge aus Schwarzafrika und dem Kosovo. Das Haus ist damit stark überbelegt, die Wohnbedingungen sind entsprechend katastrophal. Von politischer Seite wurden jedoch niemals Maßnahmen wie die Unterbringung in menschenwürdige Wohnungen und die Verbesserung der materiellen Situation der Flüchtlinge erwogen. Einige Monate passierte nichts. Dann bekam die Celler Polizei am 10. Juli einen »heißen Tip« aus der Bevölkerung, worauf das Heim durchsucht wurde. Bei dieser Razzia wurden nach Aussagen der Beamten 14 Fahrräder, zwei Koffer mit neuwertigen Textilien, diverse tragbare CD-Player und Handys und kleinere Mengen Betäubungsmittel beschlagnahmt. Nach diesem »Fund« kam wieder Bewegung in »die Angelegenheit«. Zwei Tage nach der Razzia einigten sich Vertreter der Stadtverwaltung und der Betreiberfirma auf die Umsetzung des im Februar gefällten Beschlusses. »Umgehend« sollte nun eine Mauer gebaut werden. Auch die anderen Maßnahmen sollen nun »zügig« in die Tat umgesetzt werden, so der städtische Pressesprecher Wolfgang Fischer. Die Meinung in der Bevölkerung ist geteilt. Einige Bürger aus Celle erklärten in einer Pressemitteilung ihre Ablehnung. ie »Einfriedungsmauer« füge sich in eine Politik ein, die die Kriminalisierung und Stigmatisierung von Flüchtlingen betreibt. Sie würden durch die Maßnahmen der Stadt Celle in »Sippenhaft« genommen und ohne Gerichtsurteil eingesperrt. Unwahrscheinlich jedoch, daß dieser Protest ausreichen wird, um dieses »Maßnahmepaket« der Stadt abzuwenden. Fanny Komaritzan
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