Rhein-Neckar-Zeitung, 29.7.2000 Sie hungern um ihr Leben Kurdische Familie wegen drohender Abschiebung im Hungerstreik Bammental. (ax) Sie weiß keinen Ausweg mehr: die siebenköpfige Familie Morik aus der Türkei, die zur kurdischen Bevölkerung des Landes zählt. Jetzt sind sie in Hungerstreik getreten. Mit dem Hungerstreik wollen die Eltern Kumriye und Abdurrahman eine drohende Abschiebung in die Türkei verhindern, weil sie dort um ihr Leben fürchten müssen, wie Aysel Temiz erklärt. Aysel Temiz wohnt in Bammental und gewährt der Familie Morik zur Zeit Unterschlupf. Ihr Mann Suleyman ist selbst Kurde und der Bruder von Kumriye Morik. Die Moriks leben seit sieben Jahren in Deutschland, erzählt Aysel Temiz; ihr Aufenthalt in Gießen wurde geduldet. Doch dann stand ein morgendlicher Termin im Landratsamt an. Der Anwalt von Abdurrahman Morik will seinem Klienten davon abgeraten haben, sich im Landratsamt einzufinden, weil er eine sofortige Abschiebung befürchtete. Daraufhin setzten sich die Moriks nach Bammental ab und hungern jetzt bei ihrer Schwägerin um eine Aufenthaltserlaubnis. Anfangs trauten sie sich sogar nicht, ihrer Schwägerin reinen Wein einzuschenken, weil Aysel Temiz im Gegensatz zum Rest der Familie Türkin ist. Ihr Mann Suleyman stammt wie die Moriks aus der kurdischen Gemeindf Gercus: Wahre Gräueltaten ihrer Landsleute schildert Aysel Temiz: Der türkische Staat wolle die ganze Region vernichten und die Kurden vertreiben; die Ortscheift Gercus sei zwischenzeitig bombadiert worden und gleiche einer Geisterstadt voll leerstehender Ruinen. Grässliche Verbrechen soll man auch an der Familie ihres Schwippschwagers selbst begangen haben weiß Aysel Temiz zu berichten: Mitten in der Nacht seien die Häscher über Abdurrahman Marik und seine erste Frau hergefallen und hätten sie verschleppt; hätten ihn gefoltert, seine frühere Frau vergewaltigt und sie dann sogar getötet. Jetzt fürchtet der 32-Jährige, dass ihm und seiner Familie Ähnliches widerfahren könnte, wenn er zurück in die Türkei muss. Deswegen sahen Kujnriye und Abdurrahman Morik auch keinen Ausweg mehr und sind in Hungerstreik getreten. Vor ihnen hegt ein ganzer Stapel heimischer Zeitungen; In fetten Schlagzeilen wird der "türkische Genozid" angeprangert. Mehrmals hat Aysel Temiz ihren Schwippschwager weinen sehen; aus Angst und Nervosität zerrupft er seine Papier-Taschentücher, erzählt sie, bis nur noch winzig kleine Schnipsel übrig bleiben. Auch die fünf Kinder im Alter zwischen ein und zehn Jahren sind völlig verängstigt. Besonders Uniformen jagen den Kleinen einen Riesen-Schrecken ein, schildert Aysel Temiz: Wenn sie einen Polizeiwagen sehen, verstecken sie sich sofort im Haus.
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