Frankfurter Rundschau, 29.7.2000 Außenamt ändert Türkei-Bericht Neue Akte warnt vor Gefährdung abgeschobener Kurden Von Ursula Rüssmann Das Auswärtige Amt hat seinen neuesten Lagebericht zur Türkei nach Angaben von Pro Asyl in einigen für Asylbewerber bedeutsamen Punkten korrigiert. FRANKFURT A. M., 28. Juli. Einige Verbesserungen gebe es bei insgesamt aber noch unbefriedigendem Tenor: So bewertet die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl den Lagebericht des Berliner Auswärtigen Amtes (AA) zur Türkei, der Ende Juni fertig gestellt wurde. Solche Lageberichte, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden, ziehen Behörden und Verwaltungsgerichte regelmäßig bei Entscheidungen über Asylanträge und Ausweisungen heran. Seit dem vergangenen Jahr lässt sich das AA bei der Erstellung von Menschenrechtsorganisationen beraten. Als positiv hebt Pro Asyl beim neuen Türkeibericht hervor, dass das AA die Rückkehrgefährdung von Flüchtlingen jetzt ernster nehme: Deutlicher als bisher wird demnach eingeräumt, dass ein Asylbewerber nach der Rückkehr in die Türkei staatlichen Repressionen ausgesetzt sein kann, wenn er in Deutschland "exilpolitische Aktivitäten entfaltet hat, die nach türkischem Recht strafbar sind, und die türkischen Sicherheitskräfte davon erfahren". Während es im vorherigen Lagebericht vom September 1999 noch hieß, nur die Drahtzieher von Auslandsaktivitäten hätten mit Verfolgung zu rechnen, Mitläufer dagegen nicht, fehlt dieser Passus im neuesten Dokument. Der Lagebericht schließt ferner nicht aus, dass die Teilnehmer des Wanderkirchenasyls in Nordrhein-Westfalen bei Abschiebung in die Türkei gefährdet sein könnten. Lob zollt Pro Asyl auch der Tatsache, dass das Außenamt die Gefahr der Sippenhaft nicht mehr ganz leugne. Dagegen rügt die Organisation, dass das Ministerium eine Gruppenverfolgung von Kurden schon auf Grund ihrer Volkszugehörigkeit weiterhin bestreite und daran festhalte, dass Kurden im Westen der Türkei sicher leben können. "Vollkommen unzutreffend" ist laut Pro Asyl auch die Auslegung des AA, nicht das geltende Recht sei verantwortlich für die Menschenrechtsdefizite, sondern seine Umsetzung in die Praxis. Dazu verweist die Organisation darauf, dass so genannte Incommun icado-Haft ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand in der Türkei weiterhin geltendes Recht ist. Nach ergänzenden FR-Informationen moniert der AA-Bericht einige weitere Missstände: die Missachtung geltenden Rechts durch Armee- und Polizeikräfte, die Tatsache, dass zur Strafverfolgung eines Folterers die Zustimmung seines Vorgesetzen nötig sei, gehäufte Repressalien gegen führende Politiker der Hadep-Partei sowie wiederholte Anklagen gegen Journalisten. Gestrichen wurde die Feststellung, dass Flucht aus der Türkei nach Deutschland vor allem wirtschaftliche Gründe habe. Unterdessen wurde bekannt, dass ein aus Deutschland abgeschobener kurdischer Asylbewerber in der Türkei wegen exilpolitischer Aktivitäten für die PKK zu langjähriger Haft verurteilt worden ist.
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