Salzburger Nachrichten (A), 1.8.2000 Der Auftakt zum Golfkrieg Vor zehn Jahren besetzte der Irak seinen reichen Nachbarn Kuwait. Saddam Hussein brauchte Geld. Der Diktator in Bagdad hatte sein Land ausbluten lassen. BIRGIT CERHA BAGDAD (SN). Die Welt hielt den Atem an, als in der Nacht auf den 2. August 1990 eine halbe Million irakischer Soldaten über die südliche Grenze ins Nachbarland vordrangen. Binnen weniger Stunden rollten ihre Panzer mit wehenden roten Fahnen in Kuwait-City ein. Emir Jaber al Ahmed al Sabah raste in einer schusssicheren Limousine in die Sicherheit des benachbarten Saudi-Arabien. Ein unfassbarer Piratenakt war vollzogen: Kuwait, einer der reichsten Ölstaaten, verschluckt vom großen, militärisch mächtigen Nachbarn. 800 Kuwaitis starben in den ersten zwei Tagen der Invasion. Bagdad begründete diesen Raub mit "historischen Ansprüchen". Kuwait - so hieß es - sei Teil des osmanischen Wilayet (Provinz) Basra (im heutigen Irak) gewesen und daher Teil des Irak. Doch das verschlafene Fischerdörfchen am Rande der Wüste war seit dem 18. Jahrhundert unter den al-Sabahs unabhängig. 1899 übernahm Groß-britannien die Schutzfunktion über das Protektorat Kuwait. Saddam setzte auf eine enorme Aufrüstung Doch es war weniger dieser "historische Anspruch", der Saddam zur Invasion trieb, als eine Serie von ökonomischen, politischen und strategischen Erwägungen dieses aggressiven Diktators. Acht Jahre des von ihm gestarteten Krieges gegen den Iran (1980 bis 1988) hatten den Irak ausgeblutet. Im Lande wuchs die Unzufriedenheit, weil sich trotz Ende der Kämpfe die Lage nicht verbesserte. Eine Million Männer standen noch immer unter Waffen und Saddam konnte die Demobilisierung nicht wagen, weil er den Soldaten keine Arbeit zu bieten vermochte. Die soziale Zeitbombe tickte. Irak besaß und besitzt mit den zweitgrößten Ölreserven der Welt sowie reichen Rohstoff- und Wasservorräten enormes Potenzial. Doch der Staat war bankrott, im Ausland - überwiegend in Kuwait und Saudi-Arabien - mit geschätzten 70 bis 80 Mrd. Dollar verschuldet. Es fehlte das Geld, um die Schulden zurückzuzahlen, geschweige denn, um den Wiederaufbau zu beginnen. Dennoch setzte Saddam eine gigantische Aufrüstung fort, die ihm helfen sollte, zur arabischen Supermacht aufzusteigen. Im Frühjahr 1990 verkündete er erstmals, dass seine chemischen Waffen Israel von einer Atom-Attacke abschrecken sollten. Der Westen war alarmiert, insbesondere auch über verstärkte Beweise, dass sich Bagdad durch Geheimkanäle Massenvernichtungswaffen besorgte. Als Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) weit über die ihnen von der "Organisation erdölexportierender Staaten" (OPEC) zugeschriebenen Quoten produzierten und den Preis binnen sieben Monaten von 21 auf elf Dollar purzeln ließen, empfand dies Saddam als "Kriegserklärung". Er war überzeugt, die beiden Golfstaaten führten ein von den USA angezetteltes Komplott, um den Irak in die Knie zu zwingen. Saddam brauchte Geld. Sein politisches Überleben hing daran. Schon am 25. Februar 1990 drängte er einen verblüfften Hosni Mubarak (Ägyptens Präsidenten): "Ich brauche 30 Mrd. Dollar in bar. Geh und sag ihnen in Saudi-Arabien und den Golfstaaten, wenn sie dem Irak das Geld nicht geben, werden wir wissen, wie wir es uns holen." Saddam ging es aber auch um die Kontrolle der kuwaitischen Inseln Bubiyan und Warba, die den Zugang zum irakischen Golf-Hafen Umm Qasr kontrollierten. In der Diskussion über die Ursachen der Invasion zeigte sich, dass die ungeheure Arroganz, mit der der Emir Saddams - zweifellos unverschämten - Forderungen begegnete, den irakischen Despoten zur Weißglut getrieben haben muss. Kurz vor Kriegsausbruch traf US-Botschafterin April Glaspie mit dem Diktator in Bagdad zusammen. Nach einem Gesprächsprotokoll beantwortete die Diplomatin eine unverhohlene Drohung Saddams gegen Kuwait mit den Worten: "Wir haben keine Meinung zu arabischarabischen Konflikten wie den Grenzstreit mit Kuwait." Diese Sätze lassen Iraks Führung wie Intellektuelle quer durch die arabische Welt bis heute an eine Verschwörungstheorie glauben. Danach sei es Ziel der Amerikaner gewesen, den starken Irak als Gefahr für Israel auszuschalten.
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