Süddeutsche Zeitung, 2.8.2000 Im Kampf gegen den Rechtsextremismus Bayern fordert bundesweites Verbot der NPD Innenminister Beckstein sieht in der Partei Heimat für militante
Skinheads und Neonazis Berlin/München - Angesichts der Serie von Gewalttaten gegen Ausländer, Obdachlose und Bürger jüdischen Glaubens hat Bayerns Innenminister Günther Beckstein nach Rücksprache mit mehreren Länderkollegen ein Verbot der NPD verlangt. Beckstein forderte die Bundesregierung auf, beim Bundesverfassungsgericht einen Verbotsantrag einzureichen. Die NPD sehe sich selbst als Sammelbecken für gewaltbereite Rechtsextreme, sagte der CSU-Politiker. Die Innenministerien von Bund und Ländern kündigten ein schärferes Vorgehen gegen Rechtsextreme im Internet an. Prominente sollen für Toleranz werben. Die rechtsextreme "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" spielt nach Überzeugung Becksteins eine zunehmend zentrale Rolle im gewaltbereiten Rechtsextremismus in Deutschland. Militante Skinheads und Neonazis hätten ihre politische Heimat in der NPD gefunden. Sie binde in besonderer Weise junge und vor allem auch gewaltbereite Menschen und nutze sie für den politischen Kampf, sagte Beckstein am Dienstag. Mehrere Landesinnenminister hätten ihm bereits Zustimmung signalisiert, sagte der CSU-Politiker. Thüringens Innenminister Christian Köckert (CDU) hatte schon nach einem Brandanschlag auf die Erfurter Synagoge an Ostern ein NPD-Verbot verlangt. Für Parteienverbote ist das Bundesverfassungsgericht zuständig. Einen Verbotsantrag können die Bundesregierung, der Bundesrat und der Bundestag stellen. Hohe Hürden in Karlsruhe Als erster Regierungschef unterstützte Niedersachsens Ministerpräsident Siegmar Gabriel (SPD) die Forderung. Er zeigte sich aber skeptisch, ob das Verbot durchsetzbar sei. Das Verfassungsgericht habe die Hürden für ein Parteiverbot hoch gehängt. Wenn es aber die Möglichkeit gebe, "dann müssen wir es machen", sagte Gabriel. Niedersachsen werde "bis an die Grenzen des verfassungsrechtlich Möglichen gehen", um Aufmärsche der NPD oder anderer Rechtsextremisten zu verbieten. Als erstes Mitglied der Bundesregierung hatte unlängst Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) ein "Nachdenken" über ein NPD-Verbot gefordert, falls "demokratischer Protest" nicht ausreiche. Seit Gründung der Bundesrepublik hat es nur zwei Parteienverbote gegeben: 1952 wurde die "Sozialistische Reichspartei" auf Antrag der Regierung verboten, vier Jahre später die KPD. Beckstein räumte ein, bis ein Verbot in Kraft treten könne, werde es vermutlich Jahre dauern. Nach Angaben des Verfassungsschutzes hat die NPD rund 6000 Mitglieder. Besondere Aktivitäten wurden zuletzt nicht nur in den östlichen Ländern, sondern etwa auch in Rheinland-Pfalz beobachtet. Auf ihrer Homepage im Internet spricht die Partei von "erfolgreicher Arbeit beim Aufbau nationaler Jugendgruppen in Berlin und Brandenburg". Sie bedient sich dabei einer eindeutigen Sprache. So ist im Internet von "Volkstumskampf" und "Umvolkungsplänen der derzeitigen Machthaber" die Rede. Beckstein sagte, auch bei der Jagd auf zwei Afrikaner am Wochenende in Eisenach und bei einem Vorfall in der Münchner S-Bahn seien Personen mit NPD-Bezug beteiligt gewesen. Die Innenressorts von Bund und Ländern kündigten nach einer Telefonkonferenz ein härteres Vorgehen gegen rechtsextreme Homepages im Internet und verstärkten Schutz für jüdische Einrichtungen an. Die Ministerien wollen sich künftig regelmäßig über Maßnahmen gegen Rechtsextremisten austauschen. Eine Sondersitzung der Innenministerkonferenz, die von den Grünen gefordert worden war, sei nicht ausgeschlossen, hieß es. Am Dienstagnachmittag fand in Berlin auf Bundesebene eine weitere Staatssekretärsrunde statt. Nordrhein-Westfalens Vize-Regierungschef Michael Vesper (Grüne) schlug vor, bundesweit eine spezielle Handy-Rufnummer für Übergriffe aus der Neonazi-Szene zu installieren. Er forderte "Nulltoleranz gegen rechte Gewalt ". Jetzt sei die Zeit, "den Schritt von den Sonntagsreden zum Alltagshandeln " zu gehen. Gabriel rief Eltern, Erzieher und Ausbilder auf, sofort zu reagieren, wenn Jugendliche rechtes Gedankengut verbreiteten. Prominente, darunter Big-Brother-Container-Mann Zlatko und Kanzlerehefrau Doris Schröder-Köpf, wollen vom Herbst an im Osten für Toleranz werben. "Führungsfiguren aller Art müssen sich zu Wort melden", sagte Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye zu der Aktion von Privatleuten.
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