Bremer Nachrichten, 3.8.2000 Schutz gegen Links, hilflos gegen Rechts Forst und Guben - Alltag zweier deutscher Städte Von den dpa-Korrespondenten Kathrin Klinkusch und Wolfgang Jasinski Forst/Guben. Forst und Guben - zwei deutsche Städte, nur wenige Kilometer voneinander entfernt an der deutsch-polnischen Grenze im brandenburgischen Spree-Neiße-Kreis. Forst, 25000 Einwohner, lässt sich in diesen Tagen von der Polizei schützen - gegen Linke und Autonome, die in einem Grenzcamp ihre Unzufriedenheit mit deutscher Asyl- und Ausländerpolitik demonstrieren. In Guben, 26600 Einwohner, können Rechtsextremisten, wie vielfach kritisiert wird, nach wie vor auftreten, wie sie wollen. Als "Deutschlands Skinhead-Hauptstadt", als Zentrum neonazistischer Gewalt und nationalistischen Hasses bezeichnete jüngst die US-amerikanische Zeitung "International Herald Tribune" die Stadt an der Neiße. 1999 wurde in Guben der algerische Asylbewerber Omar Ben Noui von rechtsextremen "Glatzen" gehetzt - er verblutete, nachdem er in Panik durch eine verglaste Haustür gesprungen war. Der von couragierten Bürgern errichtete Gedenkstein für den Afrikaner wird immer wieder geschändet - soeben zum fünften Mal -, während sich der Prozess gegen die elf Angeklagten vor dem Landgericht Cottbus hinzieht. Gegen den diskriminierenden Umgang mit Ausländern wendet sich das Grenzcamp in Forst. Aber die 500 Teilnehmer, von denen viele bunte Haare oder Piercings tragen, sind nicht wirklich willkommen, sie werden befristet geduldet. "Solange sie sich ordentlich benehmen", lässt Bürgermeister Gerhard Reinfeld (CDU) wissen. Nur das massive Polizeiaufgebot habe bisher Ausschreitungen verhindert, resümiert das Stadtoberhaupt. Mit rechtsextremistischen Tätern habe die Stadt kein Problem. "Viele Jugendliche haben schon früh ein hohes Vorstrafenregister, egal ob sie sich dem rechten oder linken Lager zuordnen. Sie finden später keine Lehrstelle und begeben sich damit in die gesellschaftliche Isolation", sagt Reinfeld. Auch der leitende Direktor im Cottbuser Polizeipräsidium, Klaus Zacharias, meint: "Es gibt in der Region generell ein Problem mit zunehmend kriminellen Jugendlichen." Die Jugend "läuft langsam aus dem Ruder". Die Möglichkeiten für das nachdrückliche Vorgehen gegen rechtsextremistische Straftaten seien inzwischen ziemlich ausgereizt. Die Erfolge gegen Rechts werden von Seiten der Behörden fast gebetsmühlenartig wiederholt: Die Zahl rechter Straftaten sei in Brandenburg in der ersten Jahreshälfte weiter zurückgegangen, gab das Innenministerium bekannt. Dazu habe maßgeblich der Erlass vom 24. März zum schärferen Vorgehen gegen Rechtsextremisten beigetragen. In der Landespolitik herrscht dennoch weitgehende Einigkeit, dass etwas unternommen werden muss. Aber den Worten oder vehementen Aufrufen zur Zivilcourage steht gegenüber, dass sich das Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit monatelang im Streit um seine konkreten Aufgaben selbst lähmte. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse oder der brandenburgische SPD-Landeschef Matthias Platzeck ernten pikierte bis empörte Reaktionen, wenn sie die Verharmlosung von Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit mit drastischen Worten kritisieren. Der evangelische Pfarrer in Guben, der auf dem Gelände des im März von Rechtsextremisten besudelten jüdischen Friedhofs wohnt, bezeichnet solche Taten als "schlimm für uns und für Deutschland". So etwas sei viel zu lange stillschweigend hingenommen worden. "Die Täter sehen sich als Vollstrecker einer Meinung, die sie vorzufinden glauben. Die Bürger müssen ihnen klarmachen, dass sie das nicht hinnehmen."
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