junge Welt, 03.08.2000 Sommerlochshow um NPD-Verbot Politiker weiterhin uneins über Vorgehen gegen Rechtsextremismus. jW-Bericht Die Debatte um Maßnahmen gegen den Rechtsextremismus in Deutschland hält an. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) unterstützte am Mittwoch Überlegungen, rechtsradikale Organisationen einschließlich der NPD verbieten zu lassen. Der stellvertretende GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung, ein solches Verbot könnte helfen, die Logistik der Rechtsradikalen zu zerstören. Auch der Wittenberger Theologe Friedrich Schorlemmer befürwortet ein Verbot der NPD, um den Rechtsextremismus in Deutschland einzudämmen. Außerdem müsse die Polizei bei fremdenfeindlichen Übergriffen sehr viel stärker vorgehen, sagte Schorlemmer am Mittwoch. Er mahnte zugleich: »Die Rechtsradikalen dürfen sich nicht von einer dumpfen Stimmung der Fremdenfeindlichkeit in unserem Land getragen fühlen« und beklagte, daß die Mehrheit vielerorts zu rechten Übergriffen »schweigen oder schweigend zustimmen« würde. Klaus Harbart, Geschäftsführer der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA), erläuterte gegenüber jW seine Unterstützung eines möglichen Verbotes: »Das Faschismusverbot im Grundgesetz muß umgesetzt werden, und die NPD hat eindeutige Bezüge zum Faschismus.« Ein Verbot würde die Bewegungsmöglichkeiten der NPD massiv einschränken. Sie könnte nicht mehr unter dem Deckmantel der Legalität Infostände, Demonstrationen und Parteitage veranstalten. Allerdings müßten auch alle Nachfolgeorganisationen konsequent verfolgt werden. Auch der stellvertretende PDS-Vorsitzende Diether Dehm erklärte, eine Verbot der NPD »könne durchaus große Wirkung zeigen«. Die PDS-Abgeordnete Ulla Jelpke bezeichnete die Verbotsdebatte dagegen als »pure Heuchelei« und »Show im Sommertheater« »Wenn zehn Prozent der Bevölkerung noch nicht einmal wählen dürfen und keine Staatsbürgerrechte haben, darf sich niemand wundern, wenn braune Gewalttäter mit diesen Benachteiligten noch ganz anders umspringen«, so Jelpke. Auch bei den Grünen gibt es unterschiedliche Positionen. Während sich Bundesumweltminister Jürgen Trittin für einen Verbotsantrag aussprach, lehnte Parteichefin Renate Künast am Mittwoch ein entsprechendes Vorgehen als »Alibi« ab, Man dürfe auch die verheerende Wirkung eines eventuellen Erfolges der NPD vor dem Bundesverfassungsgericht nicht unterschätzen. Ähnlich äußerten sich auch Innenpolitiker aus verschiedenen Bundesländern. NRW-Ressortchef Fritz Behrens (SPD) sprach sich im WDR grundsätzlich gegen Parteienverbote aus. »Das hilft nicht, das schadet eher.« Zur Begründung verwies er auf negative Erfahrung mit dem Verbot der rechtsextremen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) vom Februar 1995. Das FAP-Verbot habe in Nordrhein-Westfalen dazu geführt, »daß nun die rechte Szene sehr viel schwerer einzuschätzen und zu beobachten ist. Auch die Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages, Ute Vogt (SPD), gab zu bedenken, wenn es die NPD nicht gebe, »dann wird es eine andere Organisation geben, die als Ersatz aufgebaut wird«. Ähnlich äußerten sich auch Berlins Innensenator Eckart Werthebach (CDU) und sein Hamburger Kollege Hartmut Wrocklage (SPD).
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