Frankfurter Rundschau 3.8.2000 Knesset und Levy strafen Barak für Friedenskurs ab Außenminister tritt ab / Parlament fordert Neuwahlen Von Inge Günther Israels Premier Ehud Barak hat wegen seines entschiedenen Friedenskurses am Mittwoch zwei schwere Schläge einstecken müssen. Mit dem Vorwurf, Barak habe den Palästinensern zu weit gehende Konzessionen angeboten, trat sein Stellvertreter und Außenminister David Levy zurück. Nur eine Stunde später stimmte eine absolute Mehrheit in der Knesset einem neuen Gesetzentwurf für Neuwahlen zu. JERUSALEM, 2. August. Barak bekräftigte nach der Abstimmungsniederlage und Levys Rücktritt, er werde seine Bemühungen um eine dauerhafte Aussöhnung mit den Palästinensern fortsetzen. Er werde seine Anstrengungen sogar "verdoppeln", um eine neue Regierungskoalition aufzustellen. Ziel sei, den 52 Jahre alten Konflikt mit den arabischen Nachbarn zu beenden und Israel einen ökonomischen Aufschwung zu bringen. Den Abgang Levys bedauerte Barak. Für den bisherigen Außenminister und dessen Überzeugungen habe er immer "hohen Respekt" empfunden, sagte er. Levy begründete seinen Austritt aus der Regierung damit, er sei nicht imstande, eine Politik zu rechtfertigen, die er entschieden ablehne. Vor allem Baraks Bereitschaft, Jerusalem zu teilen - jahrzehntelangem israelischen Konsens zufolge die "auf ewig vereinte jüdische Hauptstadt" - könne er nicht mittragen. Nachdem der Premier sogar über den Status der Altstadt in Camp David mit PLO-Führer Yassir Arafat verhandelt habe, "gab es für mich", so Levy, "keine andere Option". Die Jerusalem-Frage galt auch als ausschlaggebendes Motiv für die Zustimmung zum Gesetzesantrag auf Neuwahlen. 61 Abgeordnete, unter ihnen viele Mitglieder früherer Koalitionsfraktionen Baraks, votierten dafür, 51 dagegen bei sechs Enthaltungen. Bis zur Selbstauflösung der Knesset sind zwar noch drei weitere Lesungen nötig, deren Beratung frühestens nach der jetzt beginnenden dreimonatigen Parlamentspause möglich ist. Dass der Antrag aber die absolute Mehrheit der Stimmen erhielt, die sonst nur für ein Misstrauensvotum nötig ist, unterstrich die derzeitige politische Schwäche Baraks. Der Premier selbst gab sich unbeirrt. "Wahlen sind weiter entfernt als viele denken", erklärte er. In den nächsten drei Monaten werde seine Priorität sein, die Friedensverhandlungen wieder in Gang zu bringen; davon hänge auch die Art der Regierung ab, die er während dieser Zeit bilden wolle. "Vielleicht sind diese neunzig Tage die wichtigsten in der gegenwärtigen israelischen Agenda." Nach dem Austritt zentraler Regierungspartner sind von ursprünglich mehr als zwanzig Kabinettsposten nur noch neun besetzt. Baraks Koalition verfügt daher nur über etwa ein Drittel von 120 Knesset-Abgeordneten. Barak reklamiert jedoch als direkt gewählter Ministerpräsident, sich auf "das Mandat des Volkes" stützen zu können. Laut Umfragen von vor einer Woche befürwortet eine knappe Mehrheit der Israelis seinen Friedenskurs.
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