junge Welt, 04.08.2000 Angriff auf Arbeiterorganisationen Türkei: Oppositionellen Gewerkschaften Tarifpartnerstatus abgesprochen In der Türkei wurde neun Einzelgewerkschaften die Anerkennung als Tarifpartei abgesprochen. Dies geht aus einer Erklärung des Arbeits- und Sozialministeriums im staatlichen Mitteilungsblatt vom Juli hervor. Begründet wurde die Entscheidung damit, daß die betroffenen Gewerkschaften die gesetzliche Auflage nicht erfüllen würden, mindestens zehn Prozent der in den jeweiligen Branchen Beschäftigten organisiert zu haben. Die mit dem Militärputsch am 12. September 1980 eingeführte Zehn- Prozent-Hürde ist das größte Hindernis für eine gewerkschaftliche Organisierung in der Türkei. Die Entscheidung vom 18. Juli 2000 kam nicht überraschend, da der türkische Arbeits- und Sozialminister Yasar Okuyan zuvor schon insbesondere unbequemen Gewerkschaften mit der Aberkennung des Tarifpartnerstatus gedroht hatte. Als Folge dieser Entscheidung verloren nun 148 569 Arbeiter ihre Tarifrechte. Außerdem sind die Gewerkschafter einer ständigen Repression ausgesetzt, ihnen drohen Entlassungen und Verhaftungen. Dadurch, daß die jeweiligen Ministerien willkürlich über die Funktion der Organisationen bestimmen können, bleiben die Arbeiter, die Mitglieder dieser Gewerkschaften sind, ohne tarifliche Rechte. Ihre Forderungen werden nicht beachtet. So erging es den Mitgliedern der Gewerkschaft der Transportarbeiter TÜMTIS nach der jüngsten Entscheidung des Arbeitsministeriums, zumal diese als einzige Gewerkschaft als Tarifpartner in diesem Sektor anerkannt ist. TÜMTIS ist eine Einzelgewerkschaft des Dachverbandes »Türk-Is«. Die Transportarbeitervereinigung ist innerhalb der Türk-Is als kämpferische Gewerkschaft bekannt. In einer Erklärung des TÜMTIS-Hauptvorstandes heißt es zu der staatlichen Intervention des letzten Monats: »Mit Eingriffen in die Tarifautonomie und Einschränkung der gesetzlichen Rechte sind auch in unserem Land die Gewerkschaften mit großen Problemen konfrontiert. Entlassung von Gewerkschaftsmitgliedern, Verhaftung von Funktionären und zunehmende Repressionen jeder Art stehen auf der Tagesordnung. Nun wurde zehn Gewerkschaften die Anerkennung als Tarifpartner abgesprochen. Wie der Arbeitsminister öffentlich erklärte, ist dies der erste Teil eines Drei-Stufen-Plans.« In weiteren Schritten würde es Gewerkschaften und anderen gesellschaftlichen Oppositionskräften, die sich gegen die Erhöhung des Rentenalters, die Abschaffung sozialer Sicherungssysteme, gegen Privatisierungen und Niedriglöhne wenden, an den Kragen gehen, so die TÜMTIS-Führung. »Wir rufen alle unsere Mitglieder, nationale und internationale Gewerkschaften und demokratische Organisationen auf, gegen diese Repressionen und in diesem konkreten Fall gegen die Aberkennung unserer Rechte als Tarifpartner aktiv zu werden und praktische Solidarität zu zeigen.« Hayal Düz
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