Frankfurter Rundschau, 7.8.2000 Khamenei brüskiert Parlament Debatte über liberaleres Presserecht in Iran verhindert TEHERAN, 6. August (afp). Die konservative Führung in Iran hat den Reformern am Sonntag eine schwere Niederlage bereitet. Der geistliche Führer Ayatollah Ali Khamenei verhinderte die Verabschiedung eines Gesetzes zur Liberalisierung der Presse, indem er die Debatte über das Projekt von der Tagesordnung des Parlaments strich. Unter den reformorientierten Parlamentariern löste dies heftigen Protest aus, der sich in gewalttätigen Szenen im Sitzungssaal entlud. Die Lockerung des restriktiven Presserechts ist eines der wichtigsten Anliegen der Reformbewegung von Präsident Mohammad Khatami. Eine Liberalisierung des Presserechts liege nicht im Interesse der Führung, schrieb Khamenei in einem Brief an die Abgeordneten. Er warnte vor der Gefahr, "Feinde des Islam und der Revolution" könnten die Kontrolle über die Medien erlangen. Das seit der Wahl im Februar von Reformern dominierte Parlament hatte Mitte Juni eine umfassende Reform des restriktiven Pressegesetzes gefordert. Das geltende Pressegesetz verbietet den Medien, die iranische Verfassung zu kritisieren, und erleichtert es der von den Konservativen beherrschten Justiz, Zeitungen zu verbieten und Journalisten zu bestrafen. In den vergangenen Monaten wurden mehr als 20 Publikationen eingestellt und mehrere Journalisten verhaftet. Am Sonntag wurde der Chef der Wochenzeitung Omid-e-Sandschan, Ahmad Hakimi-Pur, laut Presseberichten zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt. Ihm wird vorgeworfen, den Kommandeur der Revolutionsgarden beleidigt zu haben. Der Chefredakteur der Wochenzeitung Techmeh-e-Ardebil, Nasser Jafari, wurde laut der Nachrichtenagentur Irna zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er gegen die "heiligen Werte des Islam" vertoßen habe. Zudem verfügte die Justiz ein einstweiliges Verbot der Wochenzeitung Tahana, da die Zeitung die geistliche Führung "hartnäckig angreife". Im Zusammenhang mit einer Tagung der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin wurde der liberale Geistliche Hassan Jussefi Eshkevari am Samstag bei seiner Rückkehr nach Teheran verhaftet. Ihm werde regierungsfeindliche Propaganda und Beleidigung der geistlichen Führung vorgeworfen, teilten seine Angehörigen mit. Wegen Teilnahme an der als "anti-islamisch" diffamierten Tagung im April waren bereits mehrere iranische Teilnehmer nach ihrer Rückkehr festgenommen worden.
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