Süddeutsche Zeitung, 7.8.2000 Islamische Replik Der Reformtheologe Hassan Jussefi-Eschkewari kehrt nach Iran zurück und wird umgehend verhaftet Dass man ihn verhaften würde, hatte er geahnt, und es sollte nicht lange dauern, bis sich seine Ahnung bestätigte. Schon wenige Stunden nach seiner Rückkehr in den Iran wurde Hassan Jussefi-Eschkewari festgenommen. Der Reformtheologe ist der "Propaganda gegen die Islamische Republik" und der "Beleidigung der religiösen Werte" angeklagt. Darunter versteht man in Iran meist die Kritik an der "Herrschaft des Obersten Rechtsgelehrten", der Staatsdoktrin der Islamischen Republik. Eschkewari werden vor allem seine Äußerungen während einer Iran-Konferenz zur Last gelegt, die im April in Berlin stattgefunden hatte. Dort hatte Eschkewari gesagt, das Tragen des Kopftuches sei keineswegs eine islamische Pflicht, sondern eine freiwillige Angelegenheit. Außerdem hatte er sich für die Trennung von Religion und Politik ausgesprochen. In einem Beitrag für diese Zeitung hatte er geschrieben: "Regierung und Religion sind zwei vollkommen unterschiedliche Dinge, sie miteinander zu verweben, schadet sowohl der Religion als auch der Politik" (SZ vom 27. April). Alle siebzehn Teilnehmer der Berliner Konferenz sind nach ihrer Rückkehr vor ein Revolutionsgericht geladen oder verhaftet worden; gegen zwei, die sich noch im Ausland befinden, liegt ein Haftbefehl vor. Der Journalist Akbar Gandschi und der Herausgeber Ezzatollah Sahabi sind noch immer im Gefängnis. Doch viele der Vorwürfe sind konstruiert: Die Berliner Konferenz war von linken Exil-Iranern gestört worden, die den Teilnehmern "Kooperation mit dem iranischen Regime" vorwarfen. Im iranischen Fernsehen wurden dann aber Bilder gezeigt, die suggerierten, dass sich die Teilnehmer von der Exil-Opposition hätten feiern lassen. Auch Eschkewari fühlt sich als Opfer der angespannten innenpolitischen Lage. Die Konservativen wollten sich für ihre Niederlage bei den Parlamentswahlen vom Februar diesen Jahres rächen, sagt er. Er habe in Berlin die iranischen Verhältnisse nicht mehr oder schärfer kritisiert als sonst. Nach Aussage seiner mitreisenden Frau wollte die Teheraner Polizei Eschkewari schon bei der Ankunft am Flughafen festnehmen. Dort wurde er jedoch von einer über zweihundertköpfigen Menge von Anhängern erwartet - die rasch größer wurde, als sich die Absicht der Polizei unter den Wartenden herumsprach. Eschkewari konnte so zunächst ungehindert nach Hause fahren und wurde erst am nächsten Morgen, nachdem die Polizei seine Wohnung mehrere Stunden lang durchsucht hatte, abgeführt. Eschkewari gehört zu den exponiertesten Köpfen der iranischen Reformbewegung. Besonders wichtig ist er, weil er als Angehöriger eben jener Schicht, die in Iran das Herrschaftsmonopol für sich beansprucht, die bestehenden Verhältnisse kritisiert. In seinem wissenschaftlichen Werk versucht er, die Vereinbarkeit von Islam und Demokratie zu begründen. Für ihn ist nicht der Islam an sich undemokratisch, sondern nur die Islaminterpretation der herrschenden Konservativen. Weil er Theologe ist, wird Eschkewari vom "Sondergerichtshof für Geistliche" angeklagt. Er könnte damit, nach Mohsen Kadiwar, der zweite Geistliche werden, der offiziell von der Islamischen Republik wegen seiner Kritik an der "Herrschaft des Obersten Rechtsgelehrten" angeklagt wird. Diese Doktrin ist in Iran tabu; allerdings wird das Tabu immer häufiger gebrochen. Kritische Intellektuelle und auch einige Geistliche fordern inzwischen ganz offen, dass die Amtszeit des Obersten Rechtsgelehrten begrenzt, seine Kompetenzen eingeschränkt und er vom Volk, statt wie bisher vom konservativ dominierten Expertenrat gewählt werden sollte. Weil er das Gewand des Geistlichen trägt, ist es nicht unwahrscheinlich, dass an Eschkewari ein Exempel statuiert wird. Auf Kritik aus den eigenen Reihen reagieren die konservativen Geistlichen besonders empfindlich. Auch Freunde der Familie befürchten, das Strafmaß werde ziemlich hoch ausfallen. Doch auch damit hatte Eschkewari gerechnet: "Ich habe keine andere Alternative als nach Iran zurückzukehren", sagte er vor wenigen Tagen der Süddeutschen Zeitung: "Und ich gehe auch gerne ins Gefängnis." Es spricht kein Hang zum Märtyrertum aus diesen Worten, sondern das Bewusstsein, dass es dem Reformprozess hilft, wenn seine Anhänger mehr Öffentlichkeit haben. KATAJUN AMIRPUR
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