junge Welt, 07.08.2000

Countdown für palästinensische Staatsgründung

Kabinett bekräftigt Ausrufung am 13. September. Schulung für Diplomaten gestartet

Die Palästinenser bereiten die Gründung ihres eigenen Staates am 13. September vor. An diesem Tag will die politische Führung unter Präsident Yassir Arafat den Staat Palästina auch ohne Friedensabkommen mit Israel ausrufen, wie das Kabinett in einer Sitzung am Freitag abend bekräftigte. Hauptstadt des palästinensischen Staates werde Jerusalem sein, heißt es in einer nach der Sitzung in Gaza veröffentlichten Erklärung. Bereits am Samstag begann eine erster Kurs für Diplomaten, der sie auf einen künftigen eigenen Staat vorbereiten soll.

Beobachter fürchten, die Ausrufung eines Staates ohne ein zuvor ausgehandeltes Friedensabkommen könnte die Spannungen in der Region erheblich verschärfen. Israel hat angedeutet, in diesem Fall Teile des Westjordanlandes und des Gazastreifens zu annektieren. Dadurch könnten die Arbeitsbedingungen der palästinensischen Diplomaten äußerst schwierig werden, sagte der Generalsekretär des Kabinetts, Ahmed Abdel Rahman, zu Beginn der zweiwöchigen Schulung. Sollte Israel der Staatsgründung allerdings zustimmen, so würde eine palästinensische Vertretung in Tel Aviv eröffnet werden. Die Autonomiebehörde verfügt nach eigenen Angaben derzeit über 59 Botschaften und 27 weitere Vertretungen. »Wir sind bereit, die Last der nächsten Phase zu tragen«, erklärte Haela Abu Hasira, die als Botschafterin nach Gabun gehen soll, im israelischen Fernsehen. Die palästinensischen Gesandten sollen zunächst vor allem in ihren jeweiligen Einsatzländern um Unterstützung für die Staatsgründung werben.

Der türkische Ministerpräsident Bülent Ecevit sagte Arafat die Unterstützung seines Landes für eine »gerechte Nahost- Friedenslösung« zu. Ob dies auch die Unterstützung der Türkei für die Staatsausrufung bedeutet, ließ Ecevit am Samstag nach einer Unterredung mit Arafat in Ankara offen.

Seit dem Scheitern des israelisch-palästinensischen Gipfels in Camp David am 25. Juli bemüht sich Arafat bei Freunden um Rückhalt für seine Absicht, am 13. September einen eigenen Staat auszurufen.Ecevit verwies darauf, daß die Türkei Palästina bereits 1988 als unabhängigen Staat anerkannt habe. Der türkische Regierungschef sagte aber nicht, ob er Arafats Vorhaben unterstütze. Präsident Ahmet Necdet Sezer forderte Arafat auf, sich weiter intensiv um ein Abkommen mit Israel zu bemühen. Außenminister Ismail Cem bekräftigte vor Journalisten, daß die Türkei sich für eine Kompromißlösung zwischen Israel und den Palästinensern im Streit um den Status von Jerusalem einsetzen werde.

Auch die USA bemühen sich weiter intensiv darum, noch vor dem 13. September eine neue Gesprächsrunde zwischen Israel und Palästinensern zusammenzubringen. US- Chefvermittler Dennis Ross will sich vermutlich in der zweiten Augusthälfte erneut einschalten. Die Staatschefs von Jemen und Katar, Präsident Ali Abdullah Saleh und Scheich Hamad bin Chalifa el Thani, sprachen sich unterdessen nach einem Treffen am Samstag in Sanaa für eine gemeinsame Haltung der arabischen Länder im Nahost-Friedensprozeß aus, wie das staatliche jemenitische Fernsehen berichtete.

(AP/AFP/jW)