Frankfurter Rundschau 8.8.2000 Friedman dringt auf NPD-Verbot Zentralrat der Juden rügt zögerliches Vorgehen / Mit Heye Bündnis gegründet Von Matthias Arning und Reinhard Voss Für ein Verbot der rechtsextremen NPD hat sich der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau eingesetzt. "Ich erwarte und bin dabei sehr ungeduldig, dass wir endlich von den verantwortlichen Stellen die Informationen erhalten, ob die Voraussetzungen dafür gegeben sind", sagte er. Prominente Bürger setzen derweil auf ein breites Bündnis gegen den Rechtsextremismus. FRANKFURT A. M ./ DÜSSELDORF, 7. August. Friedman warnte davor, die aktuellen Reaktionen auf den Rechtsextremismus als "Hysterie zu diffamieren". Vielmehr gebe es "endlich die kleine Hoffnung, dass wir begreifen, dass es in Deutschland eine Krankheit gibt, nämlich Rassismus, die droht, chronisch zu werden". Über Jahre hinweg hätten Politiker versäumt, dagegen aktiv zu werden, sagte der Vize-Vorsitzende am Montag der FR. Friedman verlangte, gegen die über Internet verbreitete Hass-Propaganda der Rechtsextremen "internationale Gesetze" zu schaffen, damit sich "das Internet nicht mehr als Kommunikationsmedium für Hass und Gewalt missbrauchen lässt". Zugleich sollten politische Gruppierungen, "die unter dem Deckmantel der Partei demokratiefeindlich sind, verboten werden". Das gelte nicht allein für die NPD, sondern auch für andere rechtsextreme Organisationen. Den versuchten Anschlag in Bamberg bezeichnete Friedman als "feige". Vor dem Haus eines dortigen Gaststättenbesitzers hatte die Polizei am Montag einen Sprengsatz entdeckt. Wie das bayerische Landeskriminalamt (LKA) in München mitteilte, wurde der Sprengkörper von Spezialisten vor Ort entschärft. Den Angaben zufolge gehört das Haus einer alteingessenen Bamberger Familie, deren 1989 verstorbenes Oberhaupt jüdischen Glaubens gewesen sei. Der heutige Besitzer und seine Angehörigen seien allerdings schon vor Jahren zum Christentum übergetreten. Der versuchte Anschlag mache deutlich, "dass es ein akutes Bedrohungspotenzial auch für Juden gibt," sagte Friedman. Die Deutschen müssten massenhaft "den Hintern hochkriegen", um die angesichts der nahezu täglichen rechtsextremistischen Gewalttaten "unerträgliche Situation" im Land zu verändern, verlangte der Präsident des Zentralrates der Juden, Paul Spiegel, in Düsseldorf. Um es nicht nur bei einer solchen Aufforderung zu belassen, bereiten Spiegel, Friedman und der Sprecher der Bundesregierung, Uwe-Karsten Heye, "als Staatsbürger" die Gründung eines Vereins vor. Dieser soll dem ihrer Ansicht nach dringend erforderlichen öffentlichen Kampf gegen rechtsextreme Gewalttäter organisatorische, finanzielle und publizistische Hilfe leisten. Der Verein will sich Ende September in Berlin vorstellen und bis in die Kleinstädte und Dörfer hinein wirken. Der Verein setzt auf Prominente, unter anderen den TV-Moderator Günther Jauch und die Schauspielerin Veronica Ferres. Sie sollen möglichst viele Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft ermutigen, gegen die Gewalt von rechts aufzustehen und ihnen dabei einen "öffentlichen Raum" verschaffen. Es müsse doch für alle Deutschen unerträglich sein, wenn sie von Ausländern gefragt würden, ob diese sich noch nach Deutschland trauen könnten, sagte Spiegel. Und mit Blick auf seine beiden jüdischen Mitstreiter ergänzte Regierungssprecher Heye, dass "auf den Zinnen der Republik" bei der Abwehr des Rechtsextremismus "nicht nur Juden als Verteidiger" stehen dürften. |