Neue Zürcher Zeitung (CH), 09.08.2000 Unablässiger Druck auf die reformorientierte Presse Irans Demonstration Konservativer in Teheran ber. Kairo, 8. August Am Dienstagmorgen haben mehrere tausend Anhänger des konservativen Lagers in Iran vor dem Parlamentsgebäude in Teheran demonstriert. Bereits am Montag hatten dort mehrere hundert Männer und Frauen den Ausschluss der reformerischen Abgeordneten verlangt. Sie warfen diesen vor, einen Entscheid des obersten geistlichen Führers, Ayatollah Khamenei, nicht akzeptiert zu haben. Skandierend forderten sie absoluten Gehorsam gegenüber Khamenei. Dieser hatte am Vortag dem Parlament mit einem Brief die Debatte über den Entwurf eines liberaleren Pressegesetzes untersagt. Nach Zwischenrufen und einigem Tumult hatten die Parlamentarier schliesslich das Verbot des Revolutionsführers, das nach Irans Verfassung nicht anfechtbar ist, akzeptiert. Die Demonstranten, unter denen sich auch Veteranen der Kriegsfreiwilligen (Basij) und radikale Hizbullah-Aktivisten befanden, verbreiteten jedoch, dass zahlreiche Abgeordnete eine Abstimmung über Khameneis Verbot gefordert hätten. Der Präsident der Kulturkommission des Parlaments, Purnejati, erklärte am Dienstag seinen Rücktritt. Er wolle damit gegen die Angriffe der Konservativen protestieren, sagte er in seiner letzten Rede. Die sich häufenden Publikationsverbote wurden am Dienstag mit der Schliessung der reformorientierten Zeitung «Bahar» fortgesetzt. Der Parlamentarier und Bruder des iranischen Präsidenten, Mohammed Reza Khatami, hatte in diesem Blatt am selben Tag die Konservativen angegriffen. Eine gewisse Gruppe, schrieb er, schmiede mit ihrer Behauptung, die Parlamentarier lehnten sich gegen Khamenei auf, ein Komplott gegen das Parlament. Für alle, auch die reformorientierten Parlamentarier, sei der Entscheid Khameneis unantastbar. Deshalb sei es für das Parlament ausgeschlossen, nochmals auf die Revision des bestehenden Pressegesetzes zurückzukommen. Am Montag war bereits die Schliessung der reformorientierten Wochenzeitung «Jeshmeh Ardebil» für vier Monate angeordnet worden. Die Begründung lautete ähnlich wie bei den übrigen 25 Zeitungen, die seit der Verabschiedung des drakonischen Pressegesetzes im vergangenen April verboten worden waren. So soll «Jeshmeh» die öffentliche Ordnung gestört haben und den Islam beleidigt haben. Ihr Herausgeber wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Ebenfalls am Montag wurde der bekannte Journalist Zeidabadi verhaftet. Er arbeitete für verschiedene Reformzeitungen und hatte ausländischen Radiosendern mehrmals Interviews zu den politischen Verhältnissen in Iran gegeben. |