Berliner Zeitung, 11.8.2000
"Wie waren noch mal die Daten des Kanaken?"
Ein Polizist berichtet vom täglichen, latenten Rassismus in seinem Kollegenkreis
Ein Polizist rief am Mittwoch in der Redaktion der "Berliner Zeitung" an. Zurzeit werde viel über Rechtsextremismus geschrieben, er wolle jetzt über den alltäglichen Rassismus bei der Berliner Polizei berichten, sagte er. Die Polizeiführung nehme das nicht wahr. Die Redaktion kennt Namen, Dienstgrad und Dienststelle des Polizisten. Diese Angaben können nicht veröffentlicht werden, weil der Mann um seine berufliche Existenz fürchtet. Wir veröffentlichen im folgenden Teile aus dem persönlichen Gespräch mit ihm.
"Ich bin seit neun Jahren bei der Polizei. In meinem Bezirk gibt es viele Ausländer. Den Namen des Bezirks möchte ich aus Selbstschutz nicht nennen. Da habe ich viel erlebt, was ich unter Rassismus einordnen würde. Mir geht es nicht darum, die Polizei insgesamt in den Dreck zu ziehen. Ich möchte nur die Leute wachrütteln, was zurzeit bei vielen Kollegen abgeht.
Nachts ist oft nicht so viel los, wenn wir auf Streife sind. Dann wird geguckt, welches Auto mit Ausländern besetzt ist. Das wird dann angehalten und kontrolliert. Die Kennzeichen-Prüfung dauert dann extra etwas länger als bei Deutschen. Das ist so eine Art Schikane. Sobald sich dann jemand von den Insassen beschwert, werden alle Personalien festgestellt. Viele Beamte wissen genau, dass man nicht einfach zuschlagen kann. Also wird ein wenig provoziert. Wenn s härter kommt, dann wird auch schon mal eine Anzeige wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geschrieben.
Meistens sind das einfach nur Sprüche, die ich schlecht finde. Einmal wurden wir zu einem Autounfall gerufen. Das war noch in meiner Ausbildung. An dem Unfall beteiligt war auch ein Türke. Als wir den Hergang aufnehmen, fragt mich ein Kollege: Wie waren noch mal die Daten des Kanaken? Der Türke hatte nur einen Unfall gebaut. Wieso muss man ihn als Kanaken beschimpfen?
Bei Demonstrationen kommt dieser Rassismus auch immer wieder hervor - besonders bei einigen Einheiten. Es gab mal eine Demo von Kurden. Da sagte ein Kollege, der neben mir stand: Vor 50 Jahren wären die doch alle da gelandet, wo sie nichts zu erzählen hätten. Der hat das Wort Konzentrationslager nicht in den Mund genommen. Aber alle wussten, was der meint. Bei der Rosa-Luxemburg-Demonstration im Frühjahr war die Anordnung von der Einsatzleitung, dass wir uns zurückhalten sollen. Dann kam über Funk, dass einige Jugendliche plötzlich Stress machten. Da sagte ein Polizist neben mir: Diese Zecken hätte man früher alle vergast.
Wenn man etwas gegen solche Äußerungen sagt, heißt es immer: Ist doch alles nicht so gemeint. Sei doch nicht so ein Sensibelchen. Ich meine, die Andeutungen sind doch klar. Was ich überhaupt nicht verstehe, ist, dass sie im Wagen über Ausländer schimpfen. Dann aber fahren sie zum nächsten Döner-Stand oder sie machen Urlaub in der Türkei, weil es da so billig ist.
Ein Freund hat mir mal eine CD zugespielt. Die sei bei einer Wohnungsdurchsuchung bei einem Rechten von einem Polizisten eingesteckt worden. Seither kursiert sie unter den Kollegen. Als ich mir die angehört habe, habe ich gedacht, das kann doch nicht wahr sein. Da waren Lieder mit rassistischen Texten drauf. Da wurden Linke, Türken und Juden beschimpft. Unter Kumpels werden die CDs auf Kassette kopiert und verteilt. Zum Vorgesetzten kann man damit nicht gehen. Denn was soll schon passieren? Der kriegt doch nur Druck von oben, seine Dienststelle sauber zu halten. So was soll nicht an die Öffentlichkeit. Also wird das immer verharmlost.
Es gibt auch viele, die mir ganz offen erzählt haben, sie hätten die DVU oder die Republikaner gewählt. So als Protest gegen die Politiker. Aber dann kommt so ein Spruch wie: Eigentlich bräuchten wir nur eine Partei. Ich glaube, bei den meisten ist das eine Mitläufermentalität. Da gibt es einige, die den Mund aufreißen. Und andere, die dann einfach zustimmen.
Ich verstehe ja, dass einige solche Sprüche bringen. Wenn man jeden Tag mit bestimmten Gruppen zu tun hat, passiert es schnell, dass man zum Beispiel alle Türken für kriminell hält. Aber ich finde, die Leute sollten doch mal ihren Kopf einschalten. Es gibt immer Gute und Böse. Nicht alle Ausländer sind kriminell. Es gibt auch Deutsche, die sich schlecht benehmen. Ich würde auch nicht für jeden Deutschen meine Hand ins Feuer legen.
Ich möchte noch einmal klar sagen: Dieser rassistische Unterton ist nicht bei allen. Die Polizei ist auch nur so wie die Gesellschaft. Wie heißt das noch? Ein Spiegelbild der Gesellschaft. Ich kenne auch Kontaktbereichsbeamte, die kennen jeden Ausländer in ihrer Straße. Diese Beamte haben keine Vorurteile. Die kennen die Menschen nämlich. Die wissen, dass sich viele Ausländer an die Gesetze halten. Man darf nicht alle gleich vorverurteilen."