junge Welt, 18.08.2000
Wie rechts ist die Polizei?
jW fragte Thomas Wüppesahl, Bundessprecher der Kritischen Polizisten
F: Die Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizisten spricht in einer Presseerklärung von 15 Prozent rechtslastigen Polizeibeamten. Wie kommen Sie zu dieser Zahl?
Es gibt eine Studie der Polizeiführungsakademie Hiltrup, die sagt, der Prozentsatz der Rechtsextremen in der Polizei sei so hoch wie in der Bevölkerung. Die Shell-Studie von Mitte der 90er Jahre ermittelt für die gesamte Bevölkerung fünf Prozent. Wir sagen, zu dieser Zahl muß man bei der Polizei »x« addieren. Es sind nicht unter 15 Prozent. In manchen Einheiten liegt der Anteil sicher über 50 Prozent. Dann ist da die qualitative Beschreibung des Phänomens. Man hört von vielen Beamten Wörter wie Teerpappe oder Briketts für schwarze Mitbürger, überhaupt wendet sich viel Aggression gegen Schwache, auch Obdachlose. Das Vorgehen gegenüber links ist ein ganz anderes als gegenüber rechts. Schon die Paragraphen im Strafgesetzbuch sind ja gegen links geschrieben, sie werden aber auch konsequent so angewendet. In Staatsschutzeinheiten werden Sie kaum einen Linken finden. Das rechte Auge ist halb geschlossen. Stellen Sie sich vor, es gäbe 100 Tote durch linke Gewalt im Alltagsgeschehen. Was es da für eine Hetzjagd gäbe, da bräuchte man kein Sommerloch 2000, um etwas mehr Repression zu bekommen.
F: Wie sieht es auf der Führungsebene der Polizei aus?
Die Rechtslastigkeit ist natürlich auf der Führungsebene angelegt. Es mangelt an der Dienstaufsicht. An Bildungseinrichtungen der Polizei lehren teilweise rechte Leute, während Linke wie Manfred Mahr, der jetzt für die Grün-Alternative Liste in der Hamburger Bürgerschaft sitzt, unter einem Vorwand trotz bestandener Ausbildung nicht eingestellt werden. Die alten Apparate lassen nur Leute hochkommen, die so sind wie sie selbst. Die Selbstreinigung des Apparates funktioniert einwandfrei. Kritische Köpfe werden auf jeden Fall kaltgestellt. Man sieht das auch an dem Fall von Dietmar Hübner, des Vorsitzenden von Pro Police. Er wurde dreimal zwangsversetzt, zuletzt auf Anweisung von ganz oben in eine Stabsfunktion, wo er jetzt Sandhaufen schaufelt. Die Apparate vergessen nicht. Wenn jemand zunächst von der Öffentlichkeit geschützt wird, kommt die Rache eben später.
F: Wie kann dem abgeholfen werden?
Die Polizei funktioniert ja immer noch nach Befehl und Gehorsam. In den Sonntagsreden wird zwar immer von Transparenz und Mitarbeiterbeteiligung gesprochen. Das ist dummes Zeug und stellt lediglich die Ausnahme dar, das wissen alle Kollegen. Der Alltag ist grau in grau.
Deshalb muß es von oben den politischen Willen geben, da etwas zu verändern. Über 90 Prozent der Kollegen sind ja feige Mitläufer, die würden dann eben auch mitlaufen. Aber kritische Köpfe könnten dann innerhalb der Polizei das leben, was die Sonntagsreden sagen: Handeln nach Recht und Gesetz, menschliches Handeln.
Nach wie vor fehlt aber sowohl auf der polizeiliche Leitungsebene als auch in den Innenministerien der Wille, etwas zu ändern.
F: In einer Presseerklärung Ihres Verbandes heißt es, der Ausländerfeindlichkeit in der Polizei müsse massiv Einhalt geboten werden, »um das Ansehen der Polizei zu schützen«. Was tun die kritischen Polizisten für die Opfer rechter Polizeiübergriffe?
Wir machen ganz viel Opferbetreuung. Wir laufen sozusagen über. Deshalb sind wir ja auch nicht nur die Nestbeschmutzer oder Exoten, sondern ein regelrechtes Feindbild innerhalb der Polizei.
Oft kommen Bürger zu uns oder auch Kollegen, die gemobbt wurden. Wir hören uns das an. Das Problem ist natürlich, daß viele Ermittlungen dann im Sande verlaufen. Wir werden weiterhin mit anderen kritischen Bürgerrechtsorganisationen zusammenarbeiten, aber auch das Gespräch mit den Budestagsparteien und den Innenministerien suchen.
Natürlich haben wir nur einen ganz kleinen aktiven Kern. Wir haben nicht die Infrastruktur, die der Apparat selbst hat.
Interview: Monika Krause